Die Vereinigten Staaten veröffentlichten am 4. Dezember 2025 ihre Nationale Sicherheitsstrategie die erste formelle Darstellung der außenpolitischen Grundlinien von Präsident Donald Trumps zweiter Amtszeit. Das Dokument nimmt gegenüber Europa einen scharfen Ton an und wirft EU-Regierungen vor, Migrationsinstabilität zu fördern, demokratische Schutzmechanismen über Zensur auszuhöhlen und aufstrebende rechtsgerichtete Parteien zu unterdrücken. Zudem warnt es vor einem möglichen „zivilisatorischen Verschwinden“ Europas innerhalb von zwei Jahrzehnten, sollte die derzeitige Politik fortgesetzt werden. Die Strategie erhält damit einen deutlich ideologischen Charakter.
Ein zentraler Streitpunkt ist das Fehlen Russlands auf der Liste der wichtigsten strategischen Bedrohungen. Dies stellt eine Abkehr von den kollektiven Bedrohungsanalysen der NATO dar und kehrt die Haltung um, die während des gesamten Ukraine-Konflikts galt. Analysten in Washington betonten, dass der Ausschluss Russlands Trumps Druck für Verhandlungen mit Moskau widerspiegelt, obwohl die Kämpfe im Osten der Ukraine Ende 2025 erneut eskalierten.
Die Veröffentlichung löste in europäischen Hauptstädten, insbesondere in Berlin, rasche Reaktionen aus. Am 8. Dezember erklärte der stellvertretende Regierungssprecher Sebastian Hille, die Bundesregierung betrachte die „kritischen Töne gegen die EU“ als ideologisch und nicht evidenzbasiert. Die deutlichen Unterschiede in Sprache und Bewertung offenbarten eine wachsende Spaltung innerhalb der NATO über strategische Prioritäten und politische Normen.
Reaktionen der Bundesregierung
Sebastian Hille betonte, dass politische Freiheiten „nicht verhandelbare“ Grundsätze der EU seien und wies damit indirekt die Behauptung der NSS zurück, Europa beschneide die Meinungsfreiheit. Deutsche Regierungsvertreter argumentierten, die Strategie verwische die Unterschiede zwischen dem Schutz demokratischer Institutionen und der Unterdrückung von Dissens und stelle inner-europäische Debatten verzerrt dar.
Divergenzen bei der Russland-Bewertung
Außenminister Johann Wadephul bekräftigte, dass Russland weiterhin eine bedeutende militärische und hybride Bedrohung darstelle im Einklang mit den NATO-Analysen von 2024 und 2025. Er betonte, Deutschland schätze die USA als zentralen Verbündeten der NATO, werde jedoch keine externen Vorgaben zur demokratischen Ordnung oder zu politischen Bewegungen akzeptieren. Wadephul unterstrich die Bedeutung des Festhaltens an kollektiven Bedrohungsbewertungen statt einseitiger strategischer Neubewertungen.
Reaktionen im Bundestag
Der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU, Jürgen Hardt, bezeichnete die US-Analyse als „gefährlich vereinfachend“ und zog Parallelen zu Rhetorik aus dem Kreml und von europäischen Rechtspopulisten. Diese Kritik spiegelte parteiübergreifende Sorgen in Berlin wider, dass die Strategie Gegner- und Verbündetenrollen verwische und diplomatische Signale in einer kritischen Phase für die Ukraine missdeute.
Breitere europäische Reaktionen
EU-Ratspräsident António Costa erklärte, die Strategie zeige eine „veränderte Beziehung“ und Europa müsse seine Resilienz angesichts schwankender US-Verlässlichkeit stärken. Die NSS-Kritik an Migration und politischer Liberalisierung traf den Kern des EU-Selbstverständnisses und führte zu neuen Debatten über eine eigenständigere Sicherheitsarchitektur.
Französische Regierungsvertreter äußerten „Fassungslosigkeit“ über den Ton des Dokuments, insbesondere über seine relative Nachsicht gegenüber Russland und China im Vergleich zur scharfen Kritik an Europa. Viele in Paris sahen darin eine ideologische Abrechnung statt eine strategische Analyse, was Sorgen über die Zukunft der transatlantischen Zusammenarbeit verstärkte.
Die EU-Diskussionen über mehr Verteidigungsintegration und eine unabhängige schnelle Eingreiftruppe erhielten durch die Veröffentlichung der NSS neuen Schub. Der Fokus der USA auf den westlichen Hemisphäre-Raum verstärkte bereits bestehende europäische Debatten über strategische Autonomie.
Auswirkungen auf die NATO
Die NATO behandelt Russland 2025 weiterhin als Hauptbedrohung der europäischen Sicherheit. Die veränderte US-Position schafft operative Schwierigkeiten, insbesondere bei Geheimdienstkooperationen und Lastenteilungsmechanismen. Deutschlands Beharren auf kollektiven Bewertungen verdeutlicht die wachsenden Spannungen zwischen Bündnisdoktrin und US-Nationalstrategie.
Die NSS-Sprache steht zudem im Einklang mit Trumps Forderung, die Ukraine solle territoriale Zugeständnisse machen – eine Position, die unter NATO-Staaten Besorgnis auslöst, für die die vollständige Souveränität Kyjiws ein Grundpfeiler europäischer Sicherheit bleibt.
Druck auf Verteidigungsausgaben und Souveränität
Die Strategie hebt Europas stagnierendes Wachstum hervor und stellt die Belastbarkeit der EU-Partner infrage, sollten keine tiefgreifenden Reformen erfolgen. Gleichzeitig fordert sie Washington auf, „Widerstandsnetzwerke“ in Europa aufzubauen, um einer angeblichen EU-Zentralisierung entgegenzuwirken. Deutsche Beamte warnten, dies könne als Ansporn für nationalistische Parteien verstanden werden, EU-Institutionen anzugreifen und innereuropäische Brüche zu verstärken.
Signale für eine US-Rückverlagerung
Der Fokus der NSS auf Lateinamerika und die scharfe Kritik an Europa nähren die Sorge über eine langfristige Verringerung der US-militärischen Präsenz auf dem Kontinent. NATO-Diplomaten äußerten Bedenken, dass dies die Einsatzplanung für 2026 erschweren könnte, etwa bei rotierenden Truppenstationierungen im Baltikum.
US-Innenpolitik und Expertenmeinungen
In den USA fiel die Reaktion entlang politischer Lager aus. Senator Richard Blumenthal kritisierte die NSS als Aufgabe „von Werten und Verbündeten“ und warnte, sie schwäche die Ukraine und stärke autoritäre Kräfte. Ehemalige Diplomaten wie Daniel Fried vom Atlantic Council bezeichneten das Dokument als Abkehr von sieben Jahrzehnten US-Führung im transatlantischen Raum.
Die Außenpolitikexpertin Nathalie Tocci beschrieb die europäische Lage als Druck „von Russland im Osten und Trump im Westen“ – eine doppelte strategische Belastung. Analysten des Center for Strategic and International Studies betonten, die NSS enthalte zwar realpolitische Elemente, untergrabe jedoch das institutionelle Vertrauen, das für eine effektive NATO unerlässlich sei.
Auswirkungen auf die transatlantische Sicherheitsarchitektur
Die US-Strategie 2025 präsentiert einen selbstbewussten Ansatz, der auf regionale Dominanz und Distanzierung von europäischen politischen Konflikten abzielt. Deutschlands scharfer Widerspruch positioniert Berlin als Verteidiger der traditionellen NATO-Bedrohungsanalyse und der institutionellen Werte, auf denen das Bündnis basiert.
Diese Dynamiken dürften die EU-Verteidigungsplanung 2026 prägen, insbesondere Diskussionen über gemeinsame Beschaffung und nachrichtendienstliche Fusion. Sollte Washington die ideologische Kritik fortsetzen, könnten europäische Regierungen Integrationsprozesse beschleunigen, um sich gegen unvorhersehbare US-Positionen abzusichern.
Potenzielle geopolitische Neuausrichtung
Die Kritik der NSS verschont strategische Rivalen, zielt jedoch scharf auf Europa ein Hinweis auf eine veränderte Priorisierung der USA. Deutschlands Festhalten an der traditionellen NATO-Position gegenüber Russland zeigt den Willen, trotz politischer Spannungen die Kohärenz des Bündnisses zu bewahren. Europäische Staaten könnten zunehmend auf bilaterale Sicherheitsabkommen setzen, um die Abschreckungsfähigkeit zu erhalten, während die Unsicherheit über die US-Ausrichtung wächst.
Der entstehende Riss zeigt das Ausmaß der ideologischen und strategischen Neuordnung im Westen. Wie sich diese Spannungen nach den anstehenden NATO-Ministertreffen entwickeln, könnte die nächste Phase der transatlantischen Sicherheit definieren. Die Reaktionen europäischer Regierungschefs Anfang 2026 werden entscheidend sein – ob diese Phase als Katalysator für Einheit dient oder den Beginn tieferer Fragmentierung markiert.