Die konservative CDU/CSU und die sozialdemokratische SPD haben ein Koalitionsabkommen abgeschlossen, was Deutschland einen Schritt näher an die Bildung einer neuen Regierung bringt.
Internationale Spannungen und die kürzlich von US-Präsident Donald Trump verhängten Zölle scheinen die Verhandlungen beschleunigt zu haben.
Friedrich Merz, der Vorsitzende der CDU und voraussichtliche zukünftige Kanzler, präsentierte das neue Abkommen am Mittwoch. Er erklärte, dass Deutschland derzeit mit “wachsenden geopolitischen Spannungen” konfrontiert ist. Die Antwort der Koalition sei es, “den Wandel in der Welt für Deutschland mitzugestalten.”
Ein historischer Wendepunkt
Lars Klingbeil, Mitvorsitzender der SPD, sagte: „Dies ist ein Wendepunkt. Wir leben in wirklich historischen Zeiten.“
Die neue Regierung, die voraussichtlich Anfang Mai ihr Amt antreten wird, steht vor mehreren internationalen Herausforderungen.
Handelspolitik unter Trumps Einfluss
Trumps Zölle und die Gegenmaßnahmen anderer Länder haben die globalen Märkte destabilisiert und Ängste vor einem Handelskrieg geschürt. Diese Zölle haben Deutschland, als exportorientiertes Land, besonders hart getroffen, zumal die Wirtschaft seit über zwei Jahren in einer Rezession steckt.
Da die EU den transatlantischen Handel verwaltet, kann Deutschland nicht unabhängig handeln. Angesichts der wirtschaftlichen Unsicherheit hofft die neue Regierung auf eine Deeskalation. Das Koalitionsabkommen sieht vor, ein “mittelfristiges Freihandelsabkommen mit den USA” anzustreben und kurzfristig die Zölle auf beiden Seiten des Atlantiks zu senken. Angesichts von Trumps unvorhersehbaren wirtschaftlichen Wendungen könnte dieser Optimismus jedoch zu hoch gegriffen sein.
Die Zukunft der transatlantischen Beziehungen
Merz ist seit langem ein Befürworter transatlantischer Beziehungen. Er war zehn Jahre lang Vorsitzender der Atlantik-Brücke, einer Organisation zur Förderung der deutsch-amerikanischen Beziehungen. Merz ist mit der US-amerikanischen Denkweise durch seine Zeit bei BlackRock vertraut, doch seit Trumps Wiederwahl ist sein Vertrauen in die transatlantischen Beziehungen erschüttert. Merz kritisierte Trumps falsche Schuldzuweisung an die Ukraine für den Krieg und war besonders empört über die öffentliche Demütigung des ukrainischen Präsidenten Selenskyj im Weißen Haus.
Deutschland war bereits in den letzten Jahren unter Merkels Führung aus Trumps Gunst gefallen, nicht zuletzt wegen ihrer Flüchtlingspolitik. Auch wenn Merz sich politisch von Merkel distanziert hat, ist ein persönliches Treffen mit Trump derzeit unwahrscheinlich.
Unterstützung für die Ukraine: Militärhilfe und Kontroversen
Die Haltung der neuen Koalition zur Ukraine bleibt unklar. Während Merz zuvor die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine befürwortet hatte, lehnte der scheidende Kanzler Scholz diesen Schritt ab, aus Angst, Deutschland in einen direkten Konflikt mit Russland zu verwickeln. Die neue Regierung hat sich zur Unterstützung der Ukraine bekannt, aber die endgültige Entscheidung zur militärischen Hilfe steht noch aus.
Europäische Verteidigungskooperation
Merz äußerte Bedenken, ob Trump die NATO-Verpflichtungen zur kollektiven Verteidigung einhalten wird. Deshalb fordert er eine stärkere europäische Verteidigungszusammenarbeit. Ein Teil seiner Vision ist auch, die Zusammenarbeit mit den nuklearen Mächten Frankreich und Großbritannien auf dem Gebiet der nuklearen Abschreckung zu stärken.
EU-Beziehungen neu beleben
Merz hat die Regierung Scholz dafür kritisiert, die Beziehungen zu wichtigen EU-Partnern, insbesondere Frankreich und Polen, zu vernachlässigen. Nun will er diese Beziehungen wiederherstellen, doch es gibt viel zu tun. Kurz nach dem Wahlsieg besuchte Merz Präsident Macron, der in Frankreich politisch geschwächt ist. Auch mit Polen ist die Beziehung aufgrund der politischen Spannungen nicht besonders eng.
China: Handel und Sicherheitsbedenken
Der Handel mit China steht unter Druck. Die EU hat begonnen, chinesische Elektrofahrzeuge zu beschränken. Die Koalitionsvereinbarung sieht vor, ausländische Investitionen in kritische Infrastrukturen zu verhindern, die den nationalen Interessen widersprechen, was vor allem China betrifft.
Israel und der Internationale Strafgerichtshof
Deutschland steht in Bezug auf Israel vor einer schwierigen Situation. Einerseits ist Deutschland aufgrund seiner Geschichte verpflichtet, Israel zu unterstützen. Andererseits hat die israelische Militäraktion im Gazastreifen Kritik hervorgerufen. Der Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gegen Netanjahu stellt Deutschland vor ein Dilemma. Merz hat jedoch versprochen, Wege zu finden, damit Netanjahu Deutschland ohne Probleme besuchen kann.
Klimapolitik am Scheideweg
Das neue Regierungsabkommen könnte Deutschlands Klimaziele schwächen. Umweltschützer befürchten, dass das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 zugunsten von wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit und sozialer Gerechtigkeit zurückgestellt wird.