Wie Deutschland seine 1 Billion Euro an Krediten ausgeben wird

Wie Deutschland seine 1 Billion Euro an Krediten ausgeben wird

Das deutsche Parlament hat Rekordkredite genehmigt, die darauf abzielen, das Militär zu stärken, die Infrastruktur zu verbessern und den Klimaschutz voranzutreiben. Doch Geld allein reicht nicht aus – schnelles Planen und mehr Fachkräfte sind entscheidend.

In Deutschland gibt es viele Beispiele für misslungene Großprojekte, wie der Flughafen in Berlin, die Elbphilharmonie in Hamburg und der Stuttgarter Hauptbahnhof Stuttgart 21. Diese Projekte kämpften mit Planungsfehlern, Bauproblemen, explodierenden Kosten, Rechtsstreitigkeiten und jahrelangen Verzögerungen. Die Gründe dafür reichen von Planungsfehlern über langwierige Genehmigungsverfahren bis hin zu Materialmangel auf Baustellen.

Geld allein reicht nicht aus

Die voraussichtliche künftige Regierung der Mitte-Rechts-Koalition aus der Christlich Demokratischen Union (CDU), der Christlich Sozialen Union (CSU) und der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) hat die Genehmigung des Bundestages und des Bundesrates für eine Verfassungsänderung erhalten. Diese Änderung ermöglicht unbegrenzte Verteidigungsausgaben und sieht vor, dass über die nächsten zwölf Jahre 500 Milliarden Euro in die Infrastruktur und den Klimaschutz investiert werden.

Der Bundes der Steuerzahler (BdSt) kritisiert diese Entscheidung und argumentiert, dass finanzielle Mittel nicht das eigentliche Problem sind. Der Präsident des BdSt, Reiner Holznagel, erklärte gegenüber der Augsburger Allgemeinen, dass Deutschlands Probleme auf Bürokratie und Ineffizienz zurückzuführen seien. “Wir brauchen schnellere Genehmigungsverfahren und klarere Zuständigkeiten”, sagte Holznagel und fügte hinzu, dass ein neuer Schuldenfonds diese Probleme nicht lösen werde.

Ökonomin Veronika Grimm stimmt zu und betont, dass das Geld aus dem Schuldenpaket nicht schnell ausgegeben werden könne. Planungs- und Genehmigungsverfahren seien ein Engpass, erklärte sie vor dem Haushaltsausschuss des Bundestages. Grimm fordert “wachstumsfördernde Reformen” und betont, dass die zusätzlichen Ausgaben voraussichtlich keinen Einfluss auf das Wirtschaftswachstum im Jahr 2025 haben werden. Sie erwartet erst 2026 einen moderaten Effekt. “2027 wird dann davon abhängen, wie gut die Mittel eingesetzt werden”, sagte sie.

Grimms Prognose sollte den Politikern Alarm schlagen, da die Kredite vor allem dazu dienen sollen, die deutsche Wirtschaft so schnell wie möglich wiederzubeleben. Sie warnt jedoch, dass dies mehr als nur finanzielle Mittel erfordert.

Felix Pakleppa, Geschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, versichert, dass die Bauindustrie bereit ist, neue Aufträge anzunehmen. Allerdings berichteten 40 % der Bauunternehmen von Auftragsmangel, und die Aufträge im Bausektor sind in den letzten zwei Jahren aufgrund des Krieges in der Ukraine, der daraus resultierenden Energiekrise und Inflation erheblich zurückgegangen, was die Preise erheblich steigen ließ. Besonders der Wohnungsbau hat als Folge stark nachgelassen.

Die Notwendigkeit für schnellere Genehmigungen

Pakleppa betonte auch die dringende Notwendigkeit einer Bürokratieabbau. Beim Autobahnbau werde 85% der Zeit mit Planungsprozessen verbracht, nur 15% mit dem Bau selbst. Seit Jahren wird bereits ein Bürokratieabbau gefordert. Unternehmen beklagen, dass die langen Verwaltungsverfahren, Prüfungs- und Dokumentationspflichten, statistische Meldungen und Datenschutzanforderungen die größten Hindernisse für mehr Wirtschaftswachstum darstellen. Eine Studie des ifo Instituts in München aus dem Jahr 2024 ergab, dass Deutschland durch übermäßige Bürokratie jährlich bis zu 146 Milliarden Euro an Wirtschaftsleistung verliert.

Der Fachkräftemangel wird zunehmen

Ein weiteres Problem könnte der seit Jahren wachsende Fachkräftemangel sein. Unternehmen haben oft mehr Aufträge, als sie tatsächlich bewältigen können. Doch wo sollen die zusätzlichen Arbeitskräfte herkommen? Deutschland ist eine alternde Gesellschaft, und in den kommenden Jahren werden viele Menschen in den Ruhestand gehen, was den Mangel an jungen Talenten weiter verschärft.

Eine Studie der Bertelsmann Stiftung aus dem Jahr 2024 prognostiziert, dass bis 2040 jährlich rund 288.000 Arbeitskräfte aus dem Ausland benötigt werden, um den Bedarf zu decken. Diese Zahl berücksichtigt noch nicht einmal die zusätzliche Nachfrage, die durch das Verteidigungs- und Infrastrukturpaket entstehen könnte.

Reicht 1 Billion Euro aus?

Für die schnelle Aufrüstung der Bundeswehr müssen Waffen und militärische Ausrüstungen schneller beschafft werden als je zuvor, was eine goldene Ära für Unternehmen wie Rheinmetall und Airbus verspricht. Zudem hat die notorisch überlastete Deutsche Bahn das größte Sanierungsprojekt ihrer Geschichte gestartet und plant, in den nächsten Jahren mehr als 4.000 Kilometer Gleise zu erneuern. Die Deutsche Bahn hat bereits berechnet, dass sie bis 2034 rund 290 Milliarden Euro für die Erneuerung ihrer Infrastruktur benötigen wird.

Allein für den Erhalt der Straßen des Bundes schätzt das Bundesministerium für Verkehr, dass 140 Milliarden Euro erforderlich sein werden. Angesichts dieser gewaltigen Anforderungen könnte das neue Infrastrukturpaket bereits in den nächsten zwölf Jahren aufgebraucht sein. Eine jüngste Analyse der Beratungsgesellschaft Strategy& (eine Tochtergesellschaft von PwC) hat berechnet, dass das Geld nicht ausreichen wird: Der Bedarf auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene würde bis 2035 insgesamt 982,1 Milliarden Euro betragen.

Ein gigantischer Anstieg der Zinszahlungen steht ebenfalls bevor: Laut dem Bundesrechnungshof hat Deutschland derzeit eine Verschuldung von 1,7 Billionen Euro und zahlt jährlich rund 34 Milliarden Euro an Zinsen. Der Rechnungshof warnt den Haushaltsausschuss des Bundestages, dass die neuen Pläne ab 2035 zu zusätzlichen Zinsausgaben von 37 Milliarden Euro pro Jahr führen werden.