Warum ist Kokain in Deutschland so weit verbreitet

Warum ist Kokain in Deutschland so weit verbreitet?

Diese Woche warnte Holger Münch, der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), vor einem „Kokainanstieg“ in Deutschland. Er erklärte, dass sich die Droge schnell ausbreitet, weil der nordamerikanische Markt gesättigt ist und der Drogenhandel nun „mehr auf Europa konzentriert“ sei.

Auch Burkhard Blienert, der Bundesbeauftragte für Suchtfragen und Drogen, zeigt sich besorgt. „Mehr als doppelt so viele Menschen konsumieren heute Kokain im Vergleich zu vor einigen Jahren, wodurch Kokain die führende illegale Droge in Deutschland geworden ist“, sagte er in einer schriftlichen Antwort auf eine Anfrage von DW. Er glaubt, dass in unsicheren Zeiten immer mehr Menschen zu Drogen greifen.

Statistiken bestätigen diese Befürchtungen. Laut den neuesten polizeilichen Kriminalitätsdaten für 2024 nahmen die mit Heroin verbundenen Straftaten ab, während die mit Kokain um fast 5 % zunahmen, nur übertroffen von synthetischen Drogen. 2023 wurden in Deutschland rekordverdächtige 43 Tonnen Kokain beschlagnahmt, mehr als doppelt so viel wie im Vorjahr. Auch die Zollbehörden berichteten von einem fast doppelt so hohen Anstieg der Kokainbeschlagnahmungen zwischen 2021 und 2023. Im Vergleich dazu gab es bei anderen illegalen Drogen kaum nennenswerte Veränderungen.

Abwasseranalysen in deutschen Städten zeigen zunehmende Konzentrationen von Kokainrückständen, was auf einen deutlichen Anstieg des Konsums hinweist.

Was steckt hinter dem Anstieg des Kokainkonsums?

BKA-Chef Münch führt den drastischen Wandel im Heroinmarkt auf die Entscheidung der Taliban zurück, den Opiumanbau in Afghanistan zu stoppen. Diese Unterbrechung hat zu einem Heroinmangel geführt, was die Nachfrage nach Kokain gesteigert hat. Laut UN-Berichten ist die weltweite Heroinproduktion um 95 % gesunken.

Zusätzlich könnte die Legalisierung von Cannabis in Deutschland zum Kokainanstieg beitragen. Jörn Memenga vom Verband Deutscher Kriminalbeamter meint, dass Menschen, die nun legales Cannabis konsumieren, eher bereit sind, andere illegale Drogen wie Kokain auszuprobieren.

Der Preis von Kokain spielt ebenfalls eine Rolle. Ein Gramm Kokain kostet in Deutschland zwischen 50 und 80 € (57 bis 91 $), was etwa 15 Dosen ergibt. Der Preis für eine „Linie“ von etwa 5 € ist genauso viel wie ein Glas Wein in einer Kneipe.

Zudem lässt sich Kokain heute einfach und diskret über Messenger-Dienste wie Telegram bestellen. „Es ist wie ein Lieferservice. Statt Pizza bringt der Messenger Kokain“, sagte Heike Zurhold, Soziologin und Kriminologin am Zentrum für Suchtforschung in Hamburg.

Gesundheits- und soziale Auswirkungen

Die Gesundheitsrisiken von Kokain sind erheblich. Die Droge verengt akut die Blutgefäße und kann bei jungen Menschen zu Herzinfarkten oder Schlaganfällen führen. Psychologisch hat Kokain langfristige Auswirkungen, die zu Angstzuständen, Panikattacken, Schlafstörungen, Paranoia und sogar narzisstischem Verhalten führen können, warnt Ingo Schäfer, Psychiater am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.

Die Rolle der Häfen im Kokainschmuggel

Die Nordseehäfen Hamburg, Rotterdam und Antwerpen sind schon lange wichtige Knotenpunkte für den Kokainschmuggel aus Südamerika. Die meisten Lieferungen kommen aus der Hafenstadt Guayaquil in Ecuador, die sich in den letzten Jahren zu einem wichtigen Umschlagspunkt für den internationalen Drogenhandel entwickelt hat.

Ecuador, das zwischen den weltweit drei größten Kokainproduzenten – Kolumbien, Peru und Bolivien – liegt, hat sich schnell als ein Schlüsselpunkt im Drogenhandel etabliert. Guayaquils Infrastruktur und die Nähe zur Amazonasregion, mit wenigen Grenzkontrollen, machen es zu einem idealen Schmuggelpunkt. Jede Woche steuern über 2.000 Container aus Ecuador Europa an, die oft Kokain in Bananen verstecken.

Machtlos im Kampf gegen Drogenkartelle?

Trotz der Bemühungen lateinamerikanischer Drogenbehörden betrachten Drogenkartelle Europa als einen Markt mit geringem Risiko. Das UNODC berichtet, dass das Risiko, erwischt zu werden, in Europa im Vergleich zum Beispiel zu den USA relativ gering ist. Korruption in den Hafenbehörden ist ein weiteres Problem, da einige Beamte Drogengangs unterstützen. Ein aktueller Fall in Deutschland zeigt dies: Ein Staatsanwalt in Hannover muss sich derzeit vor Gericht verantworten, weil er angeblich Informationen an ein Drogenkartell weitergegeben hat.

Während Belgien und die Niederlande ihre Anstrengungen im Kampf gegen den Drogenhandel deutlich verstärkt haben, hinkt Deutschland hinterher. Burkhard Blienert, der Bundes