Die finnischen Behörden untersuchen derzeit einen massiven Steuerskandal, bei dem ein deutscher Alkoholvertrieb im Verdacht steht, rund 40 Millionen Euro an Steuern hinterzogen zu haben. Laut finnischem Zoll soll das Unternehmen zwischen Januar 2019 und August 2021 große Mengen Alkohol über seinen Webshop direkt an finnische Verbraucher verkauft haben – ohne die in Finnland fälligen Verbrauchs- und Mehrwertsteuern abzuführen.
Das Unternehmen hatte es gezielt auf Kunden in Finnland und den nordischen Ländern abgesehen. Durch den Direktversand an Privatadressen wurde nicht nur das finnische Alkoholmonopol Alko umgangen, sondern auch das Steuersystem systematisch untergraben.
Der Aufstieg des Online-Handels mit Alkohol
Gesetzliche Grauzonen gezielt ausgenutzt
Das Geschäftsmodell beruhte auf der Ausnutzung rechtlicher Graubereiche im europäischen Binnenmarkt. Obwohl die EU den freien Warenverkehr erlaubt, sind Alkoholsteuern in der Regel im Konsumland zu zahlen.
Das deutsche Unternehmen versuchte offenbar, diese Verpflichtung zu umgehen, indem es den Versand als angeblich vom Käufer organisiert darstellte. Hinweise auf Versandpartner durch den Verkäufer gelten laut finnischem Recht jedoch als Indiz für eine Fernverkaufssituation – und machen den Verkäufer steuerpflichtig.
Boom des Online-Alkoholhandels
Seit der Corona-Pandemie erlebt der Onlineverkauf von Alkohol in Europa einen rasanten Aufschwung. Immer mehr Verbraucher bevorzugen den Hauslieferdienst, und viele Anbieter haben sich entsprechend aufgestellt.
Diese Entwicklung hat jedoch das Tempo der regulatorischen Kontrolle überholt. Die finnischen Behörden berichten von einem starken Anstieg nicht registrierter Online-Importe, besonders aus Deutschland und Estland.
Neben den Steuerausfällen schwächt der illegale Onlinehandel die öffentliche Kontrolle über den Alkoholkonsum – ein zentrales Element finnischer Gesundheitspolitik.
Rechtsprechung stärkt staatliche Steuerhoheit
Gerichtsurteile in Finnland und der EU
Das Verwaltungsgericht Helsinki entschied kürzlich, dass ein deutscher Onlinehändler in Finnland Verbrauchssteuern zahlen muss, wenn er Kunden beim Versand unterstützt. Haftungsausschlüsse auf der Website genügen nicht, um der Steuerpflicht zu entgehen.
Diese Linie entspricht einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom Dezember 2024. Darin wurde festgelegt, dass Verkäufer für Verbrauchssteuern im Bestimmungsland haften, wenn sie Einfluss auf die Versandwahl nehmen – selbst bei getrennten Verträgen.
Mehr Rechtssicherheit, mehr Pflichten
Die Rechtsprechung schafft Klarheit, erhöht jedoch zugleich die Anforderungen an Händler. Die EU signalisiert damit deutlich, dass sie gegen Umgehungsgeschäfte im Onlinehandel konsequent vorgehen will.
Auswirkungen auf den finnischen Alkoholmarkt
Rückgang beim Staatsmonopol Alko
Finnlands Alkoholmonopol Alko verzeichnete 2024 einen Umsatzrückgang von 7 Prozent. Über zwei Jahre gesehen liegt das Minus bei rund 10 Prozent.
Zwar spielen auch Gesetzesänderungen, die den Verkauf in Supermärkten erleichtern, eine Rolle. Doch die zunehmende Steuerumgehung über Onlinekanäle gilt als Hauptursache für den Absatzrückgang bei Alko.
Wettbewerbsverzerrung durch Steuerbetrug
Laut Juha Havumäki vom finnischen Zoll verschaffte sich das deutsche Unternehmen durch die Steuervermeidung
„einen erheblichen Wettbewerbsvorteil“.
Während legale Anbieter alle Steuern zahlen, konnte der Webshop günstigere Preise anbieten – zulasten der Konkurrenz und der öffentlichen Einnahmen.
Wirtschaftliche und gesellschaftliche Folgen
Steuerausfälle gefährden Gesundheitsziele
Die finnischen Alkoholsteuern dienen nicht nur der Finanzierung öffentlicher Aufgaben, sondern sind auch ein zentrales Mittel zur Eindämmung von Alkoholkonsum und -schäden.
Durch den Verlust von fast 40 Millionen Euro gerät dieses System ins Wanken. Experten befürchten, dass billiger, nicht besteuerter Alkohol langfristig zu mehr Konsum und damit zu höheren gesellschaftlichen Folgekosten führt.
Vertrauensverlust in staatliche Kontrolle
Wenn große Händler durch Grauzonen Millionensummen einsparen können, während kleine Unternehmen und Verbraucher korrekt handeln, leidet das Vertrauen in das Steuersystem.
Ein solcher Vertrauensverlust ist gefährlich – nicht nur in steuerlicher Hinsicht, sondern auch für die gesellschaftliche Akzeptanz staatlicher Regulierung.
Reaktionen und Gegenmaßnahmen in Finnland
Strafverfolgung und Rückforderungen
Die finnischen Behörden haben zwei deutsche Männer und eine in Finnland geborene Frau wegen schwerer Steuerhinterziehung und Alkoholvergehen ins Visier genommen.
Zoll und Steuerbehörde arbeiten eng zusammen, um Steuernachforderungen durchzusetzen und die rechtliche Verantwortung der Händler durchzusetzen.
Die Behörden betonen, dass allein die Empfehlung eines Versanddienstleisters eine steuerliche Mitverantwortung begründet – ungeachtet vertraglicher Feinheiten.
Reformdruck auf europäischer Ebene
Die EU-Kommission steht unter Druck, einheitlichere Regeln für den digitalen Handel zu schaffen. In Ausschüssen des Europäischen Parlaments laufen Diskussionen über die Modernisierung der Mehrwert- und Verbrauchssteuergesetze.
Dabei geht es auch um die Umsetzung der Antibetrugsrichtlinien und die bessere Verzahnung von nationalen und EU-Behörden bei grenzüberschreitenden Ermittlungen.
Folgen für den europäischen Binnenmarkt
Herausforderungen bei der Steuerdurchsetzung
Der Fall zeigt, wie schwer es ist, Steuergesetze in einem digitalen Binnenmarkt durchzusetzen, wenn Unternehmen international agieren und nationale Systeme ausnutzen.
Zwar schaffen Gerichtsurteile mehr Rechtssicherheit, doch mangelt es vielen Behörden an Ressourcen, um illegale Strukturen im Onlinehandel effizient zu bekämpfen.
Hoher Aufwand für rechtskonforme Händler
Für kleinere Anbieter bedeuten die unterschiedlichen nationalen Regelungen Unsicherheit und hohen bürokratischen Aufwand.
Rechtsexperten warnen: Ohne vereinfachte und EU-weit einheitliche Regeln wird sich die Steuerflucht im Onlinehandel fortsetzen – auf Kosten gesetzestreuer Unternehmen.
Reaktionen aus Wirtschaft und Politik
Handel fordert Fairness
Zahlreiche legale Alkoholhändler fordern gleiche Wettbewerbsbedingungen. Nur durch konsequente Kontrolle und gleiche Regeln könne der Markt langfristig funktionieren.
Auch Verbraucherschützer fordern mehr Aufklärung: Viele Kunden seien sich der steuerlichen Folgen ihrer Onlinebestellungen nicht bewusst.
Juristische Stimmen und politische Mahnungen
Juristen betonen, dass grenzüberschreitender Onlinehandel nach klaren Regeln ablaufen muss. Nationale Alleingänge seien angesichts der Internationalität der Anbieter nicht zielführend.
Einheitliche Kontrollmechanismen und transparente Verfahren gelten als Voraussetzung für Vertrauen und Fairness im digitalen Binnenmarkt.
Reformbedarf im EU-Steuersystem
Neue Initiativen in Brüssel
Die EU arbeitet an neuen Maßnahmen zur Bekämpfung von Steuervermeidung. Dazu gehören unter anderem die Unshell-Initiative sowie die Überarbeitung der Anti-BEPS-Richtlinien.
Ziel ist es, aggressive Steuergestaltung zu verhindern und sicherzustellen, dass alle Unternehmen ihren gerechten Steueranteil leisten – unabhängig vom Vertriebsmodell.
Kommentar von Riku Kettunen
Der Steuerrechtsexperte Riku Kettunen hat sich in einem Interview mit [Nachrichtensender einfügen] zum Fall geäußert. Er betont die Notwendigkeit europaweit abgestimmter Maßnahmen zur Steuerkontrolle im Onlinehandel.
Tulli epäilee saksalaista yritystä alkoholinmyynnistä Suomeen – verohyötyä jopa 40 miljoonaa euroa https://t.co/5cesyADJCU
— Riku Kettunen (@KettunenRiku) July 4, 2025
Der andauernde Kampf gegen Steuerflucht
Der Fall des deutschen Alkoholhändlers in Finnland zeigt auf dramatische Weise, wie moderne Geschäftsmodelle bestehende Steuer- und Marktregeln unterwandern können. Der Onlinehandel wächst weiter – doch die rechtlichen und steuerlichen Instrumente zur Kontrolle hinken hinterher.
Ob dieser Skandal zu echten Reformen führt oder nur das erste Beispiel einer ganzen Serie ähnlicher Fälle bleibt, wird entscheidend dafür sein, ob der digitale Binnenmarkt der EU auch künftig für Fairness und Steuergerechtigkeit steht.