Ein spontanes Denkmal, das von trauernden Familien und Bürgern an einer Kirche mit Blick auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt errichtet wurde, entwickelte sich am Samstag zu einer politisch aufgeladenen Versammlung. Die veränderte Stimmung am Ort eines Amoklaufs mit einem Fahrzeug am Freitag, bei dem fünf Menschen getötet und mehr als 200 verletzt wurden, spiegelt die politischen Spannungen in einem Land wider, das von Konflikten über Einwanderung und der wachsenden Popularität der rechtsextremen Alternative für Deutschland (AfD) geprägt ist. Die Behörden nahmen einen saudischen Mann mit einer Vorgeschichte anti-islamischer Äußerungen fest, betonten jedoch, dass die Motive für den Angriff noch nicht geklärt seien. Zunächst herrschte vor der Kirche am frühen Morgen eine Atmosphäre von Trauer und Mitgefühl, als Menschen Blumen niederlegten.
Rechtsextreme Politik am Anschlagsort
Andrea Reis, 57, war mit ihrer 34-jährigen Tochter Julia vor Ort und erinnerte sich an einen knappen Moment des Glücks. Sie erklärte, dass sie nur deshalb nicht in die Bahn des Fahrzeugs gerieten, weil ihre Tochter sie überredete, weiterzugehen, anstatt anzuhalten, um etwas zu essen. Mit Tränen in den Augen sagte Reis: „Es waren die schrecklichen Geräusche – Kinder, die riefen: ‘Mama, Papa’ und ‘Helft mir’ – sie gehen mir nicht aus dem Kopf.“
Eine junge Frau brach weinend zusammen, während ein älteres Ehepaar versuchte, sie zu trösten. In sozialen Medien wurde der Angriff zunächst mit dem tödlichen Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt 2016 verglichen. Später stellte sich heraus, dass der Verdächtige, ein Psychiater, der seit 18 Jahren in Deutschland lebte, in sozialen Medien rechtsextreme Inhalte geteilt und den Islam kritisiert hatte. Rechtsextreme Persönlichkeiten versuchten daraufhin, die Situation zu kontrollieren. Der österreichische Rechtsextremist Martin Sellner schrieb auf sozialen Medien, der Verdächtige „hasste den Islam, aber er hasste die Deutschen noch mehr“ und seine Motive seien „komplex“ gewesen.
Im Laufe des Tages besuchten Politiker wie Bundeskanzler Olaf Scholz das improvisierte Denkmal und legten Blumen nieder. Als der AfD-Co-Vorsitzende Tino Chrupalla eintraf, bestand die Menge hauptsächlich aus jungen Menschen, die über Aufrufe der AfD-Jugendorganisation in sozialen Medien angereist waren.
Magdeburger Anschlagsort zieht rechtsextreme Aufmerksamkeit auf sich
Ein junger Mann aus dem Jugendflügel der Partei trug einen Amulett-Hammer des nordischen Gottes Thor und sagte: „Ich glaube an die alten Götter“, lehnte es jedoch ab, seinen Namen zu nennen. Die Partei, die besonders in Ostdeutschland stark ist, erreichte bei drei Regionalwahlen im Herbst den ersten oder zweiten Platz und hofft auf weitere Erfolge bei den nationalen Wahlen im Februar.
Prominente europäische Rechtspopulisten äußerten ebenfalls ihre Meinung und warfen der deutschen Regierung vor, nicht genug getan zu haben, um die Krise zu verhindern. „Diese Phänomene existieren in Europa erst seit Beginn der Migrationskrise“, sagte der ungarische Premierminister Viktor Orbán auf einer Pressekonferenz am Samstag. Er stellte einen direkten Zusammenhang zwischen illegaler Migration und dem Anschlag her.
Politische Spannungen am Magdeburger Denkmal
Quent erklärte jedoch, dass mit weiteren Informationen über den Hintergrund des Täters die Lage komplexer werde. Laut Ermittlern hatte der Täter versucht, Kontakte zu rechtsextremen Gruppen in Deutschland und Großbritannien zu knüpfen, darunter zu Tommy Robinson, dem Gründer der English Defence League, und zur AfD. „Wir haben es mit einer ziemlich komplexen Angelegenheit zu tun. Es handelt sich eindeutig nicht um einen islamistischen Anschlag, sondern um einen anti-islamischen“, sagte Quent. Der Täter bezeichnete sich selbst als ehemaligen Muslim und kritisierte die deutschen Behörden für unzureichende Maßnahmen gegen den „Islamismus in Europa“.
Anschlagsort wird zum politischen Schlachtfeld
Innenministerin Nancy Faeser äußerte die Sorge, dass die extreme Rechte den Vorfall für ihre Zwecke instrumentalisieren könnte. Sie betonte jedoch, dass wenig getan werden könne, um gut organisierte Versammlungen zu verhindern: „Wir haben in diesem Land Versammlungsfreiheit.“ Bei ihrem Besuch am Tatort erklärte sie: „Wir müssen alles tun, um sicherzustellen, dass der Anschlag nicht von irgendeiner Seite missbraucht wird.“
Der Täter, ein Psychiater und Psychotherapeut, lebte laut lokalen Medien seit 20 Jahren in Deutschland. Sein mutmaßliches Konto auf X war voll von anti-islamischen Inhalten und Glückwünschen an Muslime, die ihren Glauben aufgegeben hatten.