Deutschland erwägt die Einrichtung einer nationalen Forschungs-Sicherheitsorganisation, orientiert an dem Modell der Vereinigten Staaten. Dieser Schritt ergibt sich aus zunehmenden Bedenken hinsichtlich des Schutzes von Forschungsergebnissen bei gleichzeitiger Wahrung der akademischen Freiheit in internationalen Kooperationen. Im August 2024 versammelten sich deutsche und US-amerikanische Vertreter in Washington, DC, um zu erörtern, wie der Bedarf an Forschungssicherheit mit den potenziellen Risiken in Einklang gebracht werden kann, die durch Einschränkungen der akademischen Zusammenarbeit entstehen könnten.
Die USA haben bereits das SECURE Center eingerichtet, das über ein Budget von 50 Millionen US-Dollar für fünf Jahre verfügt, um die Forschungssicherheit zu verbessern. Das Zentrum bietet Universitäten wichtige Instrumente, um die Risiken internationaler Kooperationen zu bewerten. Der US-Ansatz betont den Austausch von Informationen zwischen staatlichen Nachrichtendiensten und der wissenschaftlichen Gemeinschaft. Das Ziel ist es, Forscher mit dem Wissen auszustatten, das notwendig ist, um zu bestimmen, ob ihre internationalen Partner mit potenziell sensiblen militärischen Operationen in Verbindung stehen.
Für Deutschland bietet dieses Modell wertvolle Erkenntnisse. Katja Becker, Präsidentin der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), sieht die Notwendigkeit zentraler und dezentraler Strukturen zur Risikobewertung. Sie plädiert dafür, die Hauptverantwortung bei den Forschern und ihren Institutionen zu belassen, was mit dem verfassungsrechtlich geschützten Prinzip der akademischen Freiheit in Deutschland vereinbar ist. Becker betont jedoch, dass informierte Entscheidungen staatliche und institutionelle Unterstützung erfordern, insbesondere wenn es um Informationen von Geheimdiensten über potenzielle Risiken geht.
Die Herausforderung für Deutschland besteht darin, die Offenheit der wissenschaftlichen Zusammenarbeit zu wahren und gleichzeitig potenzielle Risiken anzugehen. Zu diesem Zweck prüft Deutschland, wie Forschungssicherheit in das eigene institutionelle Rahmenwerk integriert werden kann. Dies umfasst die Verbesserung der für Forscher verfügbaren Informationen und die Förderung fundierter Risikobewertungen für einzelne Projekte. Während ein gewisser Grad an zentraler Aufsicht notwendig sein könnte, argumentiert Becker, dass Forscher in ihren Entscheidungen weiterhin Autonomie bewahren sollten. Die Alternative – Forschungskollaborationen zu isolieren oder „abzukoppeln“ – könnte den wissenschaftlichen Fortschritt erheblich schädigen und globale Lösungsansätze behindern.
Eine der wichtigen Lehren aus dem US-Modell ist die Bedeutung der Bereitstellung von Schulungen und Sensibilisierungsressourcen für Forscher. Das US SECURE Center beispielsweise geht es nicht nur um zentrale Analysen, sondern auch darum, Universitäten Instrumente zur Durchführung eigener Risikobewertungen zur Verfügung zu stellen. Indem Forscher die Risiken im Kontext ihrer spezifischen Projekte selbst bewerten können, wird ihnen die Möglichkeit gegeben, bessere Entscheidungen zu treffen. Dennoch sollten besonders komplexe Fälle an eine zentrale Stelle zur weiteren Bewertung weitergeleitet werden.
Ein weiterer Aspekt ist die Erstellung von Listen, die riskante Partner kennzeichnen, ein Konzept, das in Ländern wie den USA, Kanada und den Niederlanden zunehmend an Bedeutung gewinnt. Während solche Listen hilfreich sein können, um Forscher zu leiten, äußert Becker Vorbehalte hinsichtlich ihrer Effektivität. Festgelegte Listen von Hochrisiko-Institutionen oder -Ländern können schnell veraltet sein und berücksichtigen möglicherweise nicht die dynamische Natur internationaler Beziehungen. Stattdessen schlägt sie ein kontinuierlich aktualisiertes System von Leitlinien vor, das den Forschern hilft, differenziertere Entscheidungen zu treffen.
Deutschland prüft, wie es eine ähnliche Struktur wie das US SECURE Center entwickeln könnte. Der Prozess befindet sich noch in den Anfangsstadien, und es laufen Gespräche zwischen dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, der Allianz der Wissenschaftsorganisationen und anderen Interessengruppen. Becker stellt sich eine unabhängige, zentrale Institution vor, die als Ansprechpartner für alle beteiligten Akteure im deutschen Wissenschaftssystem fungiert. Diese Institution würde aktuelle Informationen bereitstellen, Leitlinien anbieten und den Forschern helfen, fundierte Entscheidungen über ihre internationalen Kooperationen zu treffen.
Obwohl ein solches Gremium möglicherweise an das bestehende gemeinsame Komitee für sicherheitsrelevante Forschung angelehnt werden könnte, bleibt die genaue Struktur noch unklar. Es ist entscheidend, dass Universitäten, Bundesländer und außeruniversitäre Institutionen in die Diskussionen einbezogen werden, um die größtmögliche Unterstützung für neue Initiativen zu gewährleisten. Während Deutschland auf dieses Ziel hinarbeitet, bleibt Becker optimistisch, dass das Land die Herausforderungen der Forschungssicherheit angehen kann, ohne auf übermäßige Bürokratie oder neue Gesetzgebungen angewiesen zu sein.
Deutschlands Ansatz zur Forschungssicherheit wird ausreichende Mittel benötigen. Die USA haben fast 70 Millionen US-Dollar für ihr SECURE Center bereitgestellt, und auch Deutschland wird ein vergleichbares Investitionsniveau benötigen, um ein robustes System aufzubauen. Während Kreativität und Zusammenarbeit helfen können, Kosten zu senken, werden einige Ressourcen erforderlich sein, um ein spezielles Büro zu etablieren, das die Bemühungen in der wissenschaftlichen Gemeinschaft koordiniert. Bis zum Ende der Legislaturperiode hofft Becker, dass die Schlüsselelemente des Systems umgesetzt werden, um sicherzustellen, dass Deutschland weiterhin an internationalen Kooperationen teilnehmen kann, ohne die Integrität seiner Forschung zu gefährden.
Deutschlands Bemühungen, ein Rahmenwerk für Forschungssicherheit zu schaffen, verdeutlichen die Herausforderungen, die akademische Freiheit mit dem Bedürfnis nach nationaler Sicherheit in Einklang zu bringen. Das Ziel ist nicht, die internationale wissenschaftliche Zusammenarbeit einzuschränken, sondern die Werkzeuge und Informationen bereitzustellen, die Forscher benötigen, um fundierte und verantwortungsbewusste Entscheidungen zu treffen. Obwohl der Weg vor uns komplex sein mag, ist Deutschland in der Lage, bedeutende Schritte zu unternehmen, um sicherzustellen, dass seine Forschung offen, sicher und global verbunden bleibt.