Im Jahr 2025 haben Deutschland und Polen ihre Grenzsicherungsmaßnahmen angesichts des steigenden Migrationsdrucks und wachsender sicherheitspolitischer Risiken deutlich verschärft. Sichtbar wird dies vor allem an der Wiedereinführung physischer Barrieren und der teilweisen Aussetzung der Schengen-Regeln. Polen errichtete einen 5,5 Meter hohen Zaun über 186 Kilometer an der Grenze zu Belarus, ergänzt durch elektronische Überwachung und neue Kontrollinfrastruktur entlang des Flusses Bug. Diese Maßnahmen sollen irreguläre Migration und grenzüberschreitende Kriminalität abschrecken. Warschau versteht sie als strategische Antwort auf die Bedrohungen an der östlichen EU-Grenze.
Auch Deutschland verschärfte seine Grenzkontrollen, vor allem zu Polen und Tschechien. Das Innenministerium unter Alexander Dobrindt verweist auf ernsthafte Gefahren für die öffentliche Ordnung und nutzt den Schengener Grenzkodex als rechtliche Grundlage. Obwohl temporäre Grenzkontrollen erlaubt sind, entfacht die Maßnahme Diskussionen über die Zukunft der EU-Freizügigkeit. Kritiker sehen darin eine Erosion europäischer Grundwerte zugunsten nationaler Sicherheitsprioritäten. Die Entwicklungen markieren eine mögliche Neuausrichtung europäischer Grenzpolitik im Spannungsfeld zwischen Sicherheit und Offenheit.
Polens harte Linie gegen “hybride” Migration
Migration als geopolitisches Druckmittel
Ministerpräsident Donald Tusk betont Polens Rolle als erste Verteidigungslinie europäischer Stabilität. Seine Regierung wirft Belarus vor, Migration gezielt als geopolitisches Mittel einzusetzen, etwa durch staatlich organisierte Transporte von Asylsuchenden in Grenzgebiete. Bereits im März 2025 setzte Polen die Bearbeitung von Asylanträgen an der belarussischen Grenze aus und etablierte Ausschlusszonen, die den Zugang zu Schutzmechanismen blockieren.
Die polnische Regierung argumentiert, dass diese Maßnahmen notwendig seien, um organisierte Schleusung zu verhindern und sogenannte “erzwungene Routen” in die EU zu blockieren. Tusk spricht von “Symmetrie” in der Durchsetzung und versichert, dass Polen Grenzkontrollen zu Deutschland und Litauen so lange aufrechterhalten werde, wie diese Länder ebenfalls interne Kontrollen durchführen.
In der öffentlichen Wahrnehmung findet dieses Vorgehen vor allem bei konservativen Wählern Zustimmung. Menschenrechtsorganisationen hingegen kritisieren die Einschränkung des Asylzugangs und warnen vor einem Rückschritt in europäischen Schutzstandards. Polen betont jedoch die rechtliche Zulässigkeit seines Handelns im Rahmen von Artikel 25 des Schengener Grenzkodex.
Deutschlands sicherheitspolitisches Kalkül
Seit 2023 verfolgt Deutschland einen deutlich restriktiveren Migrationskurs. Nach über 9.300 illegalen Grenzübertritten aus Polen im Jahr 2024 wurden 2025 flächendeckende Kontrollen an 52 Grenzpunkten eingerichtet. Das von Innenminister Dobrindt geleitete Konzept umfasst mobile Einheiten, militärische Überwachung und biometrische Identifikation.
Deutschland betrachtet Polen als entscheidenden Partner bei der Sicherung der EU-Außengrenzen. Bundeskanzler Merz lobt Polens Infrastruktur als Vorbild moderner Grenzsicherung und sieht darin einen Eckpfeiler seiner sicherheitsorientierten EU-Reformagenda.
Dennoch steht die Bundesregierung auch unter Druck. Grüne und SPD werfen der Regierung vor, Abschreckung über humanitäre Verpflichtungen zu stellen. Zivilgesellschaftliche Gruppen berichten von Verzögerungen, Familientrennungen und Risiken für Schutzsuchende durch Rückweisungen.
Humanitäre Folgen und rechtliche Herausforderungen
Polens generelle Aussetzung des Asylrechts an der Ostgrenze verwehrt tausenden Menschen den Zugang zu rechtlichem Schutz. Das Prinzip der Nichtzurückweisung (non-refoulement) aus der Genfer Flüchtlingskonvention untersagt die Rückführung in unsichere Herkunftsstaaten.
Auch Deutschlands Kontrollen führen zu rechtlichen Auseinandersetzungen. Laut Beobachtergruppen wurden zahlreiche Migranten ohne rechtsstaatliche Verfahren zurückgewiesen. Die Bundesmigrationsbehörde meldet, dass rund 40 % der Zurückgewiesenen im ersten Halbjahr 2025 aus der Ukraine stammen und zuvor über Polen eingereist waren.
Diese Entwicklungen haben eine neue Diskussion in Brüssel ausgelöst. Die EU-Kommission erkennt die Rechtsgrundlage für kurzfristige Kontrollen an, warnt jedoch, dass eine Dauerpraxis die Grundwerte des Schengen-Raums gefährden könnte.
Strategien, Symmetrie und innenpolitische Dynamik
Die Strategien beider Staaten zeigen die Herausforderungen, nationale Sicherheitsinteressen mit EU-Verpflichtungen in Einklang zu bringen. Die momentane politische Einigkeit zwischen Berlin und Warschau ist bemerkenswert, gerade vor dem Hintergrund bisheriger Differenzen über Justizreformen und Demokratiefragen.
Doch die Zusammenarbeit ist fragil. Streitpunkte bestehen weiterhin über Rückführungsmechanismen nach der Dublin-Verordnung und die Verteilung von Geflüchteten. Polen lehnt verbindliche EU-Quoten ab, während Deutschland über mangelnde Kooperationsbereitschaft klagt. In beiden Ländern verschärfen innenpolitische Spannungen die Debatte. In Deutschland gewinnen rechte Parteien wie die AfD durch migrationskritische Positionen an Einfluss. In Polen kritisiert die nationalistische Konföderation die Regierung Tusk wegen angeblicher EU-Hörigkeit.
Migration als vielschichtige Herausforderung
Migration ist längst kein rein humanitäres Thema mehr. Sicherheits-, außenpolitische und gesundheitsbezogene Fragestellungen greifen zunehmend ineinander. Instabilitäten im Sahel, erneute Gewalt in Afghanistan und die Folgen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine sorgen weiterhin für Fluchtbewegungen Richtung Europa.
Diese geopolitische Lage beeinflusst die Politik in Berlin und Warschau. Zwar sind die Maßnahmen offiziell als vorübergehend deklariert, doch deuten zahlreiche Aussagen auf eine dauerhafte Institutionalisierung hin. Vertreter beider Regierungen sprechen offen von “hybrider Kriegsführung” und “strategischer Eindämmung”.
BGatesIsaPyscho, ein politischer Analyst, verwies in einem Interview mit dem European Watchdog Network auf die Gefahr, dass Notstandslogik und regulatorische Ausnahmeregelungen zur neuen Norm in der Migrationspolitik werden. Der Analyst warnte vor einer schleichenden Sicherheitslogik, die die humanitären Grundwerte der EU aushöhlen könnte.
“The way of thinking – mainly from Germany, is that they can buy you, they can fine you, they can destroy you by money”
— Concerned Citizen (@BGatesIsaPyscho) December 19, 2024
Poland say no to unwanted migration.
The nation of Poland will act as an extremely inconvenient truth to The EU, as their European neighbours all quickly… pic.twitter.com/t5xF2XSVnz
Zerklüftete Einigkeit und Europas solidarische Selbstprüfung
Die deutsch-polnische Grenzstrategie legt eine tiefergehende ideologische Kluft innerhalb der EU offen. Zwar funktioniert die technische Koordination besser denn je, doch das grundlegende Dilemma bleibt ungelöst: Wie lassen sich humanitäre Verpflichtungen und nationale Sicherheitsbedürfnisse auf europäischer Ebene vereinbaren?
Diese Uneinigkeit könnte langfristig zur Erosion des institutionellen Zusammenhalts führen. Mit fortschreitenden Erweiterungsprozessen und einer geopolitischen Neuausrichtung der EU nach Osten steht Migration zunehmend im Zentrum europäischer Selbstdefinition. Die Entscheidungen an den Grenzen von heute könnten entscheidend dafür sein, wie die EU von morgen aussieht – und wessen Sicherheit sie zu wahren gedenkt.