Gefährdet Deutschland seine Entwicklungshilfe

Gefährdet Deutschland seine Entwicklungshilfe?

Es könnte leicht der Eindruck entstehen, dass finanzielle Probleme bei den Koalitionsverhandlungen zwischen den christlich-demokratischen Parteien CDU/CSU und den sozialdemokratischen SPD keine Rolle mehr spielen, vor allem nach der Verabschiedung eines Trillionen-Euro-Verschuldungspakets im Parlament. Doch dieses Geld ist ausschließlich für Verteidigung, Infrastruktur und Klimaschutz vorgesehen.

Es kann nur als Ergänzung zum regulären Bundeshaushalt verwendet werden, der in den nächsten vier Jahren eine Lücke von mindestens 100 Milliarden Euro ($108 Milliarden) aufweist.

Die SPD setzt sich für höhere Steuern auf hohe Einkommen ein, um ihre Arbeiterbasis zu unterstützen, doch die CDU/CSU lehnt dies ab. Derzeit laufen Verhandlungen mit 19 führenden Politikern aus allen drei Parteien. In Arbeitsgruppen wurden einige Einigungen erzielt, doch es gibt weiterhin viele strittige Themen.

Besonders umstritten sind die Themen Einwanderung, Steuern, Renten und Energiepolitik. Zudem gibt es viele Wahlversprechen, die noch diskutiert werden, wie Steuererleichterungen, Rentenerhöhungen für Mütter und kostenlose Mittagessen in Kitas und Schulen.

Die Verhandlungsteams sind sich einig, dass die Finanzen ein zentrales Thema darstellen.

Kürzungen bei Arbeitslosenhilfe und Asyl zur Finanzierung von Renten?

Friedrich Merz, Vorsitzender der CDU und potenzieller Kanzlerkandidat, fordert eine “gründliche Überprüfung des gesamten Haushalts”, bei der insbesondere die sozialen Ausgaben, die 2024 etwa 45% des Haushalts ausmachten (476 Milliarden Euro), unter die Lupe genommen werden.

Allerdings sind drastische Kürzungen bei sozialen Ausgaben aufgrund der alternden Bevölkerung Deutschlands kaum möglich. 2024 musste der Staat 116 Milliarden Euro in den angeschlagenen Rentenfonds einzahlen, etwa ein Viertel des Gesamtbudgets.

Die CDU plant Kürzungen beim “Bürgergeld” für Arbeitslose sowie bei Ausgaben für Asyl und Migration. Die Partei möchte zudem illegale Einwanderung so weit wie möglich reduzieren.

Um dies zu erreichen, schlagen CDU und CSU vor, Asylbewerber an Deutschlands Grenzen “in Abstimmung” mit den Nachbarländern abzuweisen, wobei die genaue Umsetzung noch unklar ist.

Kürzungen bei der Entwicklungshilfe?

Doch lediglich die Reduzierung der Unterstützung für Asylbewerber und eine verstärkte Wiedereingliederung der Arbeitslosen werden nicht ausreichen, um die Haushaltslücken zu schließen. Daher richtet sich der Fokus auch auf die Entwicklungspolitik, um Einsparungen zu erzielen.

Die CDU und CSU schlagen vor, die Entwicklungshilfe zu kürzen und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) mit dem Auswärtigen Amt zusammenzulegen. Ziel wäre es, Außenpolitik, Sicherheitspolitik und Entwicklungspolitik zu vereinen und gleichzeitig den Außenhandel zu fördern.

Während des Wahlkampfs sprach Merz davon, “die Handlungsfähigkeit in der Außenpolitik wiederherzustellen.” Er ist der Ansicht, dass es produktiver sei, politische und wirtschaftliche Interessen zu vereinen, insbesondere in Ländern, in die deutsches Geld fließt, anstatt Außenpolitik und Entwicklungshilfe zu trennen.

Die SPD hingegen möchte das Entwicklungsministerium beibehalten und Bereiche der Entwicklungspolitik aus anderen Ministerien integrieren. Die SPD fordert, dass die Quote der Offiziellen Entwicklungshilfe (ODA) eingehalten wird, die besagt, dass 0,7% des deutschen BIP für Entwicklungshilfe ausgegeben werden müssen.

Ein Sprecher des Entwicklungsministeriums teilte DW mit, dass Länder wie Großbritannien gezeigt hätten, dass die Abschaffung eines unabhängigen Ministeriums oder einer starken Agentur die internationalen Beziehungen und die Zusammenarbeit schwäche.

Kritik an den geplanten Kürzungen von Kirchen und NGOs

Politische und religiöse Spitzenvertreter haben die geplanten Kürzungen der Entwicklungshilfe scharf kritisiert. In einer Erklärung von ehemaligen Entwicklungsministern Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) und Gerd Müller (CSU) hieß es, dass eine Kürzung der Entwicklungshilfe nicht nur internationale Partnerschaften schwäche, sondern auch die Werte und Interessen, für die Deutschland steht, untergrabe.

Kirsten Fehrs, Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, betonte, dass Entwicklungshilfe keine periphere Angelegenheit sei, sondern eine Investition in Frieden, Gerechtigkeit und eine gemeinsame Zukunft. Sie hob hervor, dass ein unabhängiges Entwicklungsministerium benachteiligten Ländern eine Stimme in der deutschen Politik gebe und eine wertegeleitete Außenpolitik vertrete.

Katholische Bischöfe aus Afrika und dem Nahen Osten sowie die katholische Hilfsorganisation Missio Aachen äußerten ebenfalls ihre Kritik und appellierten an die CDU/CSU und SPD, die Entwicklungshilfe zu stärken.