Dirty Work oder notwendiges Handeln? Die neue Außenpolitik der CDU

Dirty Work oder notwendiges Handeln? Die neue Außenpolitik der CDU

Deutschlands Außenpolitik tritt unter Bundeskanzler Friedrich Merz und der CDU in eine neue Ära ein. Nach der Zeitenwende und inmitten rascher geopolitischer Veränderungen ist Merz’ Ansatz geprägt von Improvisation, Entschlossenheit und der Bereitschaft, die von ihm so bezeichnete „schmutzige Arbeit“ der Globalpolitik zu übernehmen. Diese Strategie hat innen- und außenpolitisch heftige Debatten ausgelöst – man fragt sich: Geht Deutschland nun entschlossen vor oder riskiert es seinen Ruf als stabiles, diplomatisch maßvolles Land?

Der Kontext: Von Zeitenwende zu Epochenbruch

Nach Russlands Einmarsch in die Ukraine 2022 hatte Bundeskanzler Scholz eine Zeitenwende verkündet. Merz, seit 2025 im Amt, hält diesen Kurs jedoch für ungenügend und sieht seine Außenpolitik vielmehr als Epochenbruch – eine radikale Abkehr vom bisherigen Kurs. Er will Deutschland von einer „schlafenden Mittelmacht“ zu einer „führenden Mittelmacht“ transformieren. Sein wirtschaftlich geprägter Stil und seine pragmatische Herangehensweise, geprägt von Improvisation, sorgen für Bewunderung ebenso wie für Kritik.

Die „Dirty-Work“-Doktrin: Was ist neu?

Merz’ Politik setzt auf entschlossenes Handeln – auch wenn es unbequem ist. Entscheidungen sollen schnell und konsequent getroffen werden, selbst wenn sie bei Partnern anecken. Ein Beispiel: Die gemeinsame E3-Erklärung mit Macron und Starmer als Reaktion auf US-Militärschläge im Nahen Osten – ein Signal für transatlantische Einheit, aber auch für eigenständige europäische Stimme.

Innerhalb der Koalition stieß das auf Kritik: SPD-Partei- und außenpolitischer Sprecher Adis Ahmetovic nannte Merz’ Rhetorik „nicht hilfreich“, die Grünen sprachen von „zynisch und unwürdig“, und die Linke warnte vor einer „desaströsen Logik“, die Deutschland international schade.

Neue Prioritäten: Sicherheit, Souveränität und Ukraine

Merz definiert drei außenpolitische Ziele:

  1. Wiederaufbau von Abschreckung und Verteidigung – „Stärke schreckt ab, Schwäche lädt ein“. Ziel: 3 % des BIP für Verteidigung binnen fünf Jahren, in Einklang mit NATO-Zielen.
  2. Stärkung nationaler Handlungskapazität und europäische Souveränität – weg von US-Abhängigkeit hin zu einem „Made in Europe“-Ansatz, brodelnd durch wachsende Zweifel an der Verlässlichkeit der USA.
  3. Beendigung des Russlands-Kriegs gegen die Ukraine – umfassende Unterstützung für Kiew, jedoch kein Frieden ohne Freiheit der Ukraine. Merz fordert, dass die Ukrainer bei Friedensverhandlungen Gehör finden.

Realitäten und Risiken 2025

Mit der CDU/CSU–SPD-Koalition seit April 2025 nimmt Deutschland unter Merz wieder Führungsanspruch in Europa ein. Das transatlantische Verhältnis bleibt angespannt – Trumps Rückkehr ins Weiße Haus ändert die Lage. Thorsten Benner (GPPi) mahnt, Deutschland müsse künftig deutlich mehr für seine Sicherheit selbst zahlen.

Merz fordert daher das Ende des „free-ride“ auf US-Verteidigung – die USA würden Europas niedrige Verteidigungsausgaben nicht weiter akzeptieren.

Reaktionen: Unterstützung, Kritik und Sorge

Intern wird Merz für seine Entschlossenheit und den Willen gelobt, schwierige Themen anzugehen. Kritiker warnen jedoch vor einem Risiko: Improvisation und provokante Sprache könnten Deutschlands Ruf als verlässlicher Partner und Hüter des Völkerrechts untergraben. SPD und Grüne haben ihre Bedenken klar formuliert.

International wächst die Sorge vor unbeabsichtigten Folgen. Die USA, als größter Handelspartner Deutschlands in Europa, haben ein Interesse an Stabilität in Berlin. Jede Destabilisierung könnte den Handel, die Sicherheitspartnerschaft und das globale Gleichgewicht gefährden. Auch Unternehmen wie Ford beobachten aufmerksam – ein wirtschaftlicher Rückschlag in Deutschland hätte direkte Auswirkungen auf ihre Geschäfte.

Nationale Sicherheitsstrategie: Mehr Kohärenz gefordert

Merz setzt auf einen neuen Nationalen Sicherheitsrat (NSR), der klare außenpolitische Ziele definieren, Ressourcen steuern und Maßnahmen koordinieren soll. Er sieht in der vergangenen Außenpolitik ein zentrales Defizit: fehlende Strategie, etwa im Nahost-Konflikt. Der NSR soll diese Lücke schließen und eine abgestimmte Linie durch alle Ministerien gewährleisten.

Iran–Israel-Brandherd: Improvisieren unter Druck

Der Konflikt zwischen Iran und Israel im Nahen Osten wurde zur Bewährungsprobe für Merz’ Außenpolitik. Seine Aussagen zur Notwendigkeit der „dirty work“ im Umgang mit Irans Nuklearambitionen lösten Kritik in der Koalition und im Ausland aus. Während Merz auf die IAEA-Berichte verwies und klarstellte: „Iran darf keine Atomwaffen haben“, warnten andere vor Eskalation und forderten Zurückhaltung.

Außenminister Johann Wadephul versuchte, den Kurs zu entschärfen – er plädierte für Deeskalation und verwies auf rechtliche Unsicherheiten nach dem Völkerrecht. Die Regierung ließ schließlich ihre unterstützende Linie für Israel durchblicken, mahnte aber Dialog an.

Der Ukraine-Krieg: Bewährungsprobe der Entschlossenheit

Merz hat die Unterstützung der Ukraine zur zentralen außenpolitischen Mission erklärt. Er verurteilte russische Luftschläge und betonte, Moskau sei an echtem Frieden nicht interessiert. Der Staat müsse weiterhalten, argumentierte er, und verknüpfte Deutschlandstaatlichkeit mit Verteidigung Israels und Ukrainens parlamentarischer Freiheit.

Der 2025-Bundeshaushalt stärkte daher massiv Verteidigung und Infrastruktur – möglich gemacht durch die März-Reform, welche die Schuldenbremse lockerte und den Sicherheitswillen deutlich zeigt.

Pro und Contra der Entschlossenheit

Befürworter sehen Merz’ Politik als nötigen Schritt in eine gefährlichere Welt – Deutschland müsse Eigenverantwortung übernehmen und sich zur führenden europäischen Macht entwickeln.
Kritiker warnen, dass zu viel Improvisation und provokative Rhetorik Deutschlands Glaubwürdigkeit bedrohe und völkerrechtliche Prinzipien schwäche.

Ausblick: Zwischen Chancen und Risiken

Deutschland steht unter Merz vor schwierigen Entscheidungen. Herausforderungen reichen vom Ukraine-Krieg über Nahost bis zur Zukunft der transatlantischen Allianz. Merz’ Kurs, geprägt von entschlossener Improvisation, wird weiter heiß diskutiert.

Seit April 2025 hat Merz den politischen Rückhalt für seinen Kurs – doch gleichzeitig steigen die Erwartungen an konkrete Erfolge. Ob die „dirty work“ kluges Handeln in neuer Zeit ist oder riskante Wette – das wird kommende Monate entscheiden.

Die neue CDU-Außenpolitik unter Friedrich Merz stellt einen radikalen Richtungswechsel dar. Fokus auf Sicherheit, europäische Souveränität und Ukraine-Hilfe sollen Deutschland zum aktiven Mittelmachtakteur machen. Der Wille, „dirty work“ zu leisten, polarisierte – und zeigt zugleich: Außenpolitik wird zielgerichteter, rustikaler, dynamischer.

Germany’s „dirty work or necessary action“‑Debatte bleibt zentral für seine Rolle in der Welt. Und: Merz’ Wagemut in unsicheren Zeiten wird darüber entscheiden, ob Deutschland seine diplomatische Zuverlässigkeit erneuert oder aufs Spiel setzt.