The “Buy European” maxim: Can Germany reduce US military dependence?

Die “Buy European” Maxime: Kann Deutschland die US-Militärabhängigkeit verringern?

Deutschland vollzieht 2025 einen tiefgreifenden strategischen Wandel in seiner Verteidigungsbeschaffung, bei dem die Maxime „Buy European“ zunehmend zur Leitlinie wird. Dieser Wandel ist durch wachsende geopolitische Unsicherheiten, steigende Verteidigungsausgaben im Rahmen der NATO-Verpflichtungen und das Bestreben motiviert, Europas sicherheitspolitische Selbstständigkeit zu stärken.

Historisch war Deutschland stark abhängig von US-amerikanischen Rüstungslieferungen. Zwischen September 2025 und Dezember 2026 sind jedoch 154 Hauptbeschaffungsprojekte geplant, von denen nur rund 8 % voraussichtlich US‑Lieferanten einbeziehen. Dieser Bruch mit bisherigen Importmustern bei denen zeitweise zwei Drittel der europäischen Rüstungsgüter aus den USA stammten unterstreicht die Dringlichkeit der sektoral eingebetteten Neuausrichtung.

Politischer Rückhalt und Finanzierungsmechanismen

Der umfassende politische Rückhalt für den Strategiewechsel ist in Deutschland spürbar. Bundeskanzler Friedrich Merz formuliert ein Ziel, die Bundeswehr bis 2031 zur stärksten konventionellen Streitmacht in Europa auszubauen. Diese Vision wurde durch eine erhöhte Gesetzgebung und strategische Prioritätensetzung in der Verteidigungspolitik unterstützt.

Sondervermögen und Budgetautonomie

Zur Finanzierung dieser ambitionierten Agenda wurde das sogenannte Sondervermögen geschaffen: ein mehr als 100 Milliarden Euro schwerer Fond, der außerhalb der regulären Haushaltsgrenzen operiert. So kann Deutschland substanzielle Investitionen tätigen, ohne gegen verfassungsrechtliche Verschuldungsregeln zu verstoßen, und gleichzeitig langfristige Verpflichtungen eingehen.

Kooperation mit Frankreich und EU‑Defensivprogrammen

Parallel zur nationalen Strategie treiben Deutschland und Frankreich gemeinsame Rüstungsprojekte voran. Programme wie das European Defence Industry Programme (EDIP) und das Joint Procurement Instrument EDIRPA fördern europäische Standardisierung und bündeln Ressourcen. Solche Initiativen stärken die industrielle Grundlage und erleichtern eine kooperative Versorgung über Landesgrenzen hinweg.

Gemeinsame Projekte wie das Future Combat Air System (FCAS) und das Main Ground Combat System (MGCS) gelten als Eckpfeiler dieser Neuausrichtung. Ihre Fortschritte sind zentral für den Erfolg des europäischen Innovationsmodells im Verteidigungsbereich.

Industrielle und operationale Herausforderungen

Trotz entschiedener politischer Ausrichtung stehen Deutschland und Europa vor erheblichen operativen und industriellen Hindernissen. Die bestehenden Verteidigungsindustrien müssen rasch bei Kapazität, Innovation und Integration zulegen.

Fragmentierung und Interoperabilitätsprobleme

Die europäische Rüstungsindustrie ist zersplittert, mit uneinheitlichen Standards, mehrfachen Fertigungswegen und langsamen Zulassungsprozessen. Diese Fragmentierung erschwert die Entwicklung interoperabler Systeme und verteuert Produktion und Wartung. In Deutschland werden Ex­emption-Regelungen im EU‑Vergaberecht genutzt, doch ihre Anwendung wird kritisiert wegen Ineffizienz und Verzögerungen.

Insbesondere in Schlüsselbereichen wie Luftabwehr, unbemannte Systeme, Cyber oder Satellitentechnik ist eine harmonisierte industrielle Basis entscheidend. Technische Normen und gemeinsame Module müssten über nationale Grenzen hinweg konsolidiert werden.

Einsatzbereitschaft und Personalengpässe

Parallel zur Beschaffung belasten Defizite der Bundeswehr die Umsetzbarkeit. Berichte von 2025 nennen Personalmangel, Materialverschleiß und logistische Rückstände als zentrale Schwachstellen. Neue Systeme brauchen qualifiziertes Personal und funktionierende Logistik. Ohne strukturelle Reformen in Ausbildung, Wartung und Einsatzplanung drohen teure Investitionen ungenutzt zu bleiben.

Geopolitische Implikationen und transatlantisches Verhältnis

Deutschlands Neuausrichtung erfolgt in einem Moment neu austarierten transatlantischen Verhältnisses. Trotz anhaltender Allianzbindung reflektiert das Bestreben, US‑Abhängigkeit zu reduzieren, ein zunehmendes Bedürfnis nach partnerschaftlicher Eigenständigkeit innerhalb Europas.

Strategische Autonomie vs. NATO‑Integration

Das Ziel lautet, die europäische Verteidigungsfähigkeit zu verstärken, ohne die NATO-Strukturen zu unterminieren. Deutschland versucht eine Balance zwischen transatlantischer Kooperation und regionaler Unabhängigkeit. Die technische Verflechtung mit US-Systemen sowie strategische Ressourcen in Bereichen wie Aufklärung und Logistik bleiben wichtige Allianzstützen.

Industrielle Konsequenzen für US‑Lieferanten

Als Deutschland europäischen Anbietern den Vorzug gibt, ist auch mit Konflikten zu US‑Rüstungsunternehmen zu rechnen. Unternehmen wie Lockheed Martin, Raytheon oder Northrop Grumman haben traditionell große Märkte in Europa. Wie Berlin diese Neuorientierung ohne Störung der sicherheitspolitischen Zusammenarbeit gestaltet, wird die transatlantische Dynamik entscheidend beeinflussen.

Wirtschaftliche und industrielle Impulse

Die „Buy European“-Strategie ist nicht nur sicherheitspolitisch begründet, sondern eröffnet wirtschaftliche Chancen. Die verstärkte Einbindung europäischer Zulieferer stimuliert Innovation, Wertschöpfung und Beschäftigung. Speziell in Deutschland können technische Exzellenz und Forschungskapazitäten gezielt in High-Tech-Verteidigungspfade gelenkt werden.

Dual-Use-Technologien und Innovation

Deutschland verfügt über starke Kompetenzen in mechatronischen Systemen, Softwareentwicklung und Automatisierung. Diese Fähigkeiten lassen sich in Verteidigungsprojekte integrieren wie autonome Drohnen, Sensornetzwerke oder Präzisionssysteme. Der strategische Hebel liegt in der Verknüpfung ziviler Technologieentwicklung mit militärischer Anwendung.

Öffentliche und private Kooperationen

Der Ko-Finanzierungsansatz aus staatlichen Mitteln und privatem Kapital ermöglicht eine flexible, innovationsfreundliche Investitionsstruktur. Deutsche Unternehmen wie Rheinmetall, Hensoldt oder Diehl expandieren Kapazitäten. Zugleich entstehen gemeinsame europäische Fertigungspools, um Produktionsrisiken zu verteilen und Lieferketten resilienter zu gestalten.

Eine neue Phase für Deutschland und Europa

Deutschlands „Buy European“-Strategie signalisiert eine ambitionierte Neuorientierung im sicherheitspolitischen Gefüge Europas. Der Erfolg hängt jedoch nicht allein von Bestellungen ab, sondern von der Realisierung eines kohärenten Systems, das industrielle Effizienz mit militärischer Leistungsfähigkeit verbindet.

Wenn Berlin darin gelingt, industrielle Fragmentierung zu überwinden, die militärische Einsatzfähigkeit zu stärken und transatlantische Allianzen zu erhalten, könnte Europa eine spürbar stärkere strategische Position erlangen. Diese Transformation wird nicht kurzfristig zu bewältigen sein aber sie könnte dauerhaft beeinflussen, in welcher Form Europa seine Verteidigungsautonomie neu definiert und seine Rolle in der globalen Sicherheitsarchitektur gestaltet.