Im Jahr 2025 steht Deutschland sicherheits politisch unter verändertem Druck. Die Diskussion über eine mögliche Rückkehr zur Wehrpflicht wird mit neuer Dringlichkeit geführt. Die Regierung prüft angesichts internationaler Spannungen und neuer Bedrohungsszenarien, wie die Bundeswehr personell gestärkt werden kann.
Besonders der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat Schwächen der europäischen Verteidigungsfähigkeit offengelegt. In diesem Kontext rückt die Wehrpflicht wieder ins Zentrum der politischen Debatte.
Nachkriegsmentalität trifft auf neue Realitäten
Deutschland hat nach dem Zweiten Weltkrieg eine pazifistische Grundhaltung entwickelt. Jahrzehntelang stand der Verzicht auf militärische Zwangsdienste symbolisch für eine demokratische Werteordnung. Doch angesichts wachsender Unsicherheit wird diese Haltung zunehmend infrage gestellt.
Bundeskanzler Friedrich Merz betonte mehrfach, dass „ein starker Verteidigungsapparat kein politisches Wunschdenken, sondern sicherheitspolitische Notwendigkeit“ sei. Mit dieser Haltung verknüpft sich die politische Absicht, auch die Wehrpflicht als Instrument wiederzubeleben.
Gesetzesinitiativen und politische Bruchlinien
Im August 2025 verabschiedete der Bundestag ein Gesetz, das 18-jährige Männer zur Teilnahme an einer Online-Befragung verpflichtet. Diese soll die Bereitschaft zur Ableistung von Wehrdienst erfassen. Frauen erhalten denselben Fragebogen, unterliegen jedoch keiner gesetzlichen Verpflichtung zum Dienst.
Dieses Vorgehen deutet auf eine „sanfte“ Wiedereinführung der Wehrpflicht hin, bei der Freiwilligkeit und staatliche Lenkung kombiniert werden. Ziel ist es, die Truppenstärke bis in die 2030er Jahre deutlich zu erhöhen – von derzeit rund 182.000 auf über 260.000 Soldaten. Auch die Reservestruktur soll ausgebaut werden.
Debatte innerhalb der Regierungskoalition
Die politische Landschaft zeigt sich gespalten. Während die CDU unter Merz eine Rückkehr zur allgemeinen Wehrpflicht aktiv befürwortet, zeigt sich die SPD zögerlich. Sie verweist auf die ablehnende Haltung großer Teile der Bevölkerung und setzt weiterhin auf freiwillige Rekrutierung.
Florian Hahn, verteidigungspolitischer Sprecher der CDU, erklärte bereits im Frühjahr 2025, dass „die ersten Wehrpflichtigen noch dieses Jahr durch die Kasernentore marschieren werden“. Dies unterstreicht den Zeitdruck, unter dem konservative Kräfte die Reformen vorantreiben wollen.
Gesellschaftlicher Rückhalt und Stimmen der Jugend
Trotz sicherheitspolitischer Begründungen stößt die Idee der Wehrpflicht auf Skepsis. Eine Umfrage des Forsa-Instituts ergab, dass nur 17 % der Bevölkerung bereit wären, im Falle eines Angriffs zur Waffe zu greifen. Viele junge Menschen zeigen Unverständnis oder Unbehagen gegenüber der Idee eines verpflichtenden Dienstes.
Diese Zurückhaltung ist historisch verwurzelt. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat sich in Deutschland ein gesellschaftlicher Konsens gegen Militarismus gebildet, der bis heute fortwirkt.
Forderung nach Mitbestimmung und Transparenz
Vertreter der jungen Generation fordern verstärkte Mitspracherechte. Quentin Gärtner, Vorsitzender der Bundesschülerkonferenz, sprach sich für „eine echte Beteiligung der Jugend an sicherheitspolitischen Entscheidungen“ aus. Es bestehe eine Gefahr, dass politische Entscheidungen über ihre Köpfe hinweg getroffen würden.
Diskutiert wird auch ein Konzept des „Allgemeinen Dienstes“, das neben dem Militärdienst auch soziale oder ökologische Tätigkeiten umfasst. Dieses Modell könnte den Wehrdienst flexibler und gesellschaftlich akzeptierter gestalten.
Verteidigungspolitik im europäischen Kontext
Die Wehrpflichtdebatte steht im Zusammenhang mit Deutschlands strategischem Ziel, sich in der europäischen Sicherheitsarchitektur stärker zu engagieren. Bundeskanzler Merz plädiert für eine „europäische Verteidigungssäule“, die innerhalb der NATO unabhängiger agieren kann.
Das bedeutet, dass Deutschland nicht nur seine Truppenstärke erhöhen, sondern auch seine Rolle als sicherheitspolitische Führungsmacht innerhalb der EU stärken möchte. Die Bundeswehr steht dabei im Zentrum dieses neuen Selbstverständnisses.
Kritik an mangelndem Verteidigungswillen
Internationale Partner – insbesondere die USA – beobachten die Entwicklungen mit kritischem Interesse. Der frühere US-Präsident Donald Trump hatte wiederholt beklagt, dass europäische Staaten nicht ausreichend in ihre Verteidigung investieren. Deutschlands geplante Ausgaben von mindestens 2 % des BIP für Verteidigung stehen damit unter besonderer Beobachtung.
Die Wehrpflichtreform wird daher auch als Signal an die NATO-Partner verstanden, dass Deutschland bereit ist, mehr Verantwortung zu übernehmen – sowohl finanziell als auch personell.
Strukturelle Herausforderungen für die Bundeswehr
Trotz höherer Löhne und besserer Ausbildungsmöglichkeiten kämpft die Bundeswehr weiterhin mit hohen Abwanderungszahlen. Jährlich verlassen rund 20.000 Soldaten die Truppe. Der Wettbewerb mit dem zivilen Arbeitsmarkt erschwert die Nachwuchsgewinnung zusätzlich.
Daher sehen viele Verteidigungsexperten in der Wehrpflicht eine notwendige Maßnahme, um langfristig die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr zu sichern – auch wenn dies mit politischen Risiken behaftet ist.
Haushaltsdebatten und Zukunftsszenarien
Die Einführung der Wehrpflicht hat auch Auswirkungen auf die Haushaltsplanung. Die Kosten für Ausbildung, Ausrüstung und Unterhalt neuer Soldaten sind beträchtlich. Im Bundestag wird kontrovers darüber diskutiert, wie diese Mittel bereitgestellt werden sollen.
Einige Oppositionspolitiker warnen vor einem Schnellschuss ohne ausreichende gesellschaftliche Debatte. Sie fordern stattdessen langfristige Strategien zur Stärkung des freiwilligen Engagements.
Öffentliche Stimmen und politische Forderungen
Diese Person hat sich zur Wehrpflichtdebatte geäußert und die aktuellen politischen Entwicklungen kommentiert:
Immer mehr Menschen wollen den Dienst an der Waffe verweigern – die Beratungsstellen für Kriegsdienstverweigerung melden einen sprunghaften Anstieg an Anfragen.
— Nicole Gohlke (@NicoleGohlke) September 4, 2025
Junge Menschen haben zu Recht kein Interesse daran, für Aufrüstung & Kriege verheizt zu werden. pic.twitter.com/r7z5H5uFqD
Nicole Gohlke thematisierte die Gefahr eines Rückschritts in obrigkeitsstaatliche Strukturen und forderte mehr gesellschaftliche Diskussionen über die Rolle des Militärs in einer demokratischen Gesellschaft.
Zwischen Vergangenheit und Zukunft: Deutschlands sicherheitspolitische Gratwanderung
Die Wehrpflichtdebatte im Deutschland des Jahres 2025 ist Ausdruck eines tiefgreifenden Wandels. Zwischen historischen Erfahrungen und neuen Bedrohungen ringt das Land um eine zeitgemäße Antwort auf die Frage der nationalen Verteidigung. Ob die Rückkehr zur Wehrpflicht ein Symbol für Sicherheitsverantwortung oder ein Rückgriff auf vergangene Strukturen ist, wird sich daran zeigen, wie breit und offen die Gesellschaft diesen Wandel mitgestaltet.