Die deutsche Außenpolitik zeigt 2025 eine deutlich veränderte Prioritätensetzung: Weg von der humanitären Hilfe, hin zu einer erheblich ausgeweiteten Verteidigungspolitik. Der Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2026 sieht Kürzungen in Höhe von 90 Millionen Euro bei den Beiträgen zu UN-Programmen für humanitäre Hilfe vor. Diese Einsparung entspricht etwa einem Drittel des bisherigen Budgets, das Deutschland über die Vereinten Nationen für humanitäre Zwecke bereitgestellt hat zu einer Zeit, in der sich die humanitäre Krise im Gazastreifen massiv zuspitzt.
Gleichzeitig plant Deutschland, die Verteidigungsausgaben 2025–2026 auf über 86 Milliarden Euro zu erhöhen. Diese Neuverteilung der Mittel spiegelt einen strategischen Fokus auf sicherheitspolitische Herausforderungen wider. Kritiker werfen der Regierung jedoch vor, damit eine traditionsreiche humanitäre Verpflichtung aufzugeben und das internationale Engagement Deutschlands zu schwächen.
Die humanitäre krise in gaza und deutschlands rolle
Die humanitäre Lage im Gazastreifen hat sich im Laufe des Jahres 2025 dramatisch verschärft. Laut Welthungerhilfe sind mehr als zwei Millionen Menschen von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen, etwa 500.000 schweben unmittelbar in Hungersnot. Durch Blockaden, militärische Angriffe und fehlende Versorgung kollabiert die grundlegende Infrastruktur. Krankenhäuser sind überfüllt oder zerstört, der Zugang zu Wasser, Strom und Treibstoff ist weitgehend unterbrochen.
Angesichts dieser Situation wiegt Deutschlands Rückzug aus der humanitären Verantwortung besonders schwer. Hilfsorganisationen berichten, dass durch die Kürzungen Millionen Menschen weltweit von der Versorgung mit Lebensmitteln, medizinischer Hilfe und sauberem Trinkwasser abgeschnitten werden könnten. Neben Gaza sind auch Regionen wie Sudan, Afghanistan, Syrien und Myanmar von den deutschen Einsparungen betroffen.
Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung versichert zwar, dass zentrale Programme fortgeführt werden. Doch praktische Einschränkungen in Umfang und Reichweite der Maßnahmen sind bereits deutlich spürbar. Die Leistungsfähigkeit internationaler Hilfsmechanismen leidet massiv unter dem deutschen Rückzug.
Politische kritik und innenpolitische debatte
Innerhalb Deutschlands hat das Verhalten der Bundesregierung zu Gaza und zur Kürzung der Hilfe eine kontroverse Debatte ausgelöst. Luise Amtsberg von den Grünen kritisierte Außenminister Johann Wadephul für dessen diplomatische Passivität. Sie forderte gezielte Sanktionen gegen Israels Siedlungspolitik und stärkeren politischen Druck zur Beendigung der Blockade.
Auch die Linkspartei äußerte sich scharf. Sascha Wagner bezeichnete die Kürzungen als Bruch mit der friedensorientierten Außenpolitik Deutschlands. Er warnte, dass unterlassene humanitäre Hilfe langfristig zu mehr Flucht, Instabilität und Konflikten führen könne Entwicklungen, die letztlich auch Deutschland selbst sicherheitspolitisch betreffen würden.
Bundeskanzler Friedrich Merz verteidigte die Position der Bundesregierung mit dem Hinweis auf Israels Selbstverteidigungsrecht. Zugleich kündigte er im Mai 2025 einen Stopp deutscher Waffenexporte nach Israel an. Diese Maßnahme wurde jedoch von Beobachtern als symbolisch gewertet ein Zeichen ohne substanzielle diplomatische Wirkung.
Folgen für die globale krisenreaktion
Deutschlands Kürzungen bei der humanitären Hilfe wirken sich weit über Gaza hinaus aus. Internationale Organisationen betonen, dass Deutschland ein tragender Pfeiler im weltweiten Hilfssystem ist. Der Rückzug verringert die Kapazität für schnelle, koordinierte Reaktionen in zahlreichen Krisenregionen. Parallel ziehen sich auch andere Geberstaaten darunter die USA aus der humanitären Verantwortung zurück.
In Folge dessen sehen sich Organisationen wie das Welternährungsprogramm gezwungen, Nahrungsmittelrationen in Flüchtlingslagern zu kürzen und Projekte in anderen Regionen etwa im Sahel oder in Ostafrika zu pausieren. Die Planbarkeit von Hilfseinsätzen leidet, langfristige Entwicklungsfortschritte drohen verloren zu gehen.
Betroffene Staaten und NGOs berichten zunehmend von Finanzierungslücken, die sich kaum schließen lassen. Deutschland, als G7-Mitglied und führende Wirtschaftsnation, sendet mit seinem Rückzug ein folgenreiches Signal sowohl an die internationale Gemeinschaft als auch an die Krisenregionen selbst.
Abwägung zwischen nationaler und globaler sicherheit
Die Verschiebung von Haushaltsmitteln zugunsten der Verteidigungspolitik stellt viele Industriestaaten vor schwierige Entscheidungen. Auf der einen Seite stehen sicherheitspolitische Verpflichtungen gegenüber NATO-Partnern und wachsender geopolitischer Druck. Auf der anderen Seite sinkt dadurch die Fähigkeit zur zivilen Konfliktvermeidung und Stabilisierung beides langfristige Instrumente zur Friedenssicherung.
Im Fall Deutschlands wird diese Ambivalenz besonders deutlich. Während Investitionen in die Verteidigung kurzfristige Bedrohungen adressieren sollen, untergräbt der Rückzug aus der humanitären Hilfe das internationale Ansehen und die Wirksamkeit präventiver Außenpolitik. Deutschland hat sich jahrzehntelang als Brückenbauer verstanden durch zivilgesellschaftliche Kooperationen, Entwicklungszusammenarbeit und Krisendiplomatie.
Expertinnen und Experten warnen, dass diese Balance kippen könnte. Ohne den Erhalt von Soft Power also der Fähigkeit, durch Vertrauen und Partnerschaft Einfluss zu nehmen droht Deutschland, einen zentralen Baustein seiner internationalen Rolle zu verlieren.
Deutschlands Schweigen zu Gaza und die Kürzungen bei der Hilfe werfen zentrale Fragen zur Rolle mittlerer Mächte in globalen Krisen auf. In einer Welt, die von Konflikten, Klimaextremen und Flucht geprägt ist, entscheidet die Prioritätensetzung heutiger Außenpolitik über die Stabilität ganzer Regionen. Ob Deutschland zu seiner humanitären Verantwortung zurückfindet oder sich weiter auf Sicherheitsinteressen fokussiert, wird über den Charakter seiner internationalen Politik im 21. Jahrhundert mitentscheiden.