Deutschlands Energiewende steht vor einer entscheidenden Prüfung, da die Landtagswahlen in drei ostdeutschen Bundesländern im September 2024 die politische Landschaft umgestalten könnten. Diese Wahlen, die vor dem Hintergrund der post-reunifikatorischen Herausforderungen Deutschlands stattfinden, verdeutlichen die fortbestehende Kluft zwischen Ost- und Westdeutschland. Das Ergebnis wird eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung der Klima- und Energiepolitik Deutschlands spielen, insbesondere da populistische Parteien wie die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) und die nationalistische-linke BSW im Osten an Einfluss gewinnen. Diese Parteien, obwohl ideologisch gegensätzlich, teilen eine tiefe Skepsis gegenüber der Energiewende des Landes, was den Fortschritt hin zu sauberer Energie in einer Region, die davon profitieren könnte, gefährden könnte.
Die ostdeutschen Bundesländer Thüringen, Sachsen und Brandenburg haben historisch gesehen in Bezug auf die wirtschaftliche Entwicklung hinter dem Westen zurückgelegen, sind jedoch zu führenden Produzenten erneuerbarer Energien geworden. Diese Länder liefern etwa 30% der erneuerbaren Energie Deutschlands, obwohl sie nur 15% der Bevölkerung beherbergen. Politische Verschiebungen, insbesondere der zunehmende Einfluss populistischer Kräfte, bedrohen jedoch diesen Fortschritt. Umfragen deuten darauf hin, dass fast die Hälfte der Wählerschaft in diesen Bundesländern populistische Parteien unterstützen könnte, die sich gegen den Ausbau erneuerbarer Energien stellen und sogar einen Rückkehr zum russischen Energiemarkt befürworten, eine Position, die im Widerspruch zu den Klimazielen Deutschlands steht.
Diese politische Kluft verdeutlicht tiefere sozioökonomische Spannungen in Deutschland. Viele Ostdeutsche fühlen sich im Vergleich zu ihren westdeutschen Pendants benachteiligt, mit niedrigeren Durchschnittseinkommen und weniger Chancen in ländlichen Gebieten. Dennoch hat die Region seit der Wiedervereinigung eine deutliche Verbesserung des Lebensstandards erfahren. Der Push der Regierung, insbesondere durch Investitionen in grüne Energieinfrastruktur, hat den Wohlstand gefördert. Allerdings nutzen die populistischen Parteien die anhaltenden Ressentiments und argumentieren, dass die Energiewende die einfachen Leute überproportional belaste, während die Eliten profitierten.
Der wachsende Zulauf zur AfD wird teilweise durch ihre Ablehnung von Klimapolitiken angetrieben, die ihrer Ansicht nach den lokalen Industrien, insbesondere der Kohlenindustrie, schaden. Die Partei hat sich konsequent gegen Deutschlands geplanten Kohleausstieg und andere grüne Initiativen gestellt und sich als Verteidigerin traditioneller Industrien präsentiert. Ebenso hat die BSW, unter der Führung der ehemaligen Linkspartei-Abgeordneten Sahra Wagenknecht, Unterstützung von Wählern gewonnen, die mit dem politischen Establishment enttäuscht sind. Wagenknechts Forderungen nach einer Rückkehr zu engeren Beziehungen zu Russland und ihre Ablehnung der NATO-Position zum Ukraine-Konflikt stimmen mit der breiteren Anti-Establishment-Rhetorik der AfD überein.
Obwohl sich die AfD und die BSW in einigen Punkten unterscheiden, resoniert ihre Ablehnung von Klimamaßnahmen und ihre nostalgische Verklärung einer vermeintlich einfacheren und wohlhabenderen Vergangenheit mit vielen Wählern im Osten. Diese Parteien präsentieren ein Bild von Stabilität und nationaler Souveränität, wobei sie die Bedeutung der EU-Zusammenarbeit und der Klimaziele zugunsten einer wirtschaftlichen Unabhängigkeit, insbesondere durch fossile Brennstoffnutzung, herunterspielen. Diese Haltung wird von vielen im Westen als Bedrohung für die langfristige wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands angesehen, insbesondere da das Land versucht, zu einem grüneren, nachhaltigeren Energiemodell zu wechseln.
Die Rolle Ostdeutschlands in der Energiewende ist entscheidend. Es ist nicht nur ein großer Produzent erneuerbarer Energien, sondern auch ein Schlüsselakteur im Übergang Deutschlands zu einer Wasserstoffwirtschaft. Führende Politiker in der Region, von der SPD bis zur CDU, haben die Bedeutung der Aufrechterhaltung der Unterstützung für die Entwicklung erneuerbarer Energien betont, um das zukünftige Wirtschaftswachstum zu sichern. Doch der zunehmende Zulauf populistischer Parteien stellt eine Gefahr für diese Vision dar. Sollte es den Populisten gelingen, bei den kommenden Wahlen bedeutende Macht zu erlangen, könnten sie gegen diese grünen Initiativen vorgehen und die Bemühungen zur Modernisierung der regionalen Wirtschaft sowie zur Reduzierung der Abhängigkeit von Kohle untergraben.
Unternehmen im Osten, insbesondere solche im Bereich erneuerbare Energien und verwandte Sektoren, haben Bedenken geäußert, wie sich ein populistischer Sieg auswirken könnte. Eine Umfrage des Wirtschaftsforschungsinstituts IW ergab, dass Unternehmen befürchten, ein Anstieg des Einflusses der AfD könnte zu größerer politischer Instabilität führen, Deutschlands internationalen Ruf schädigen und Investitionen in grüne Technologien abschrecken. Trotz dieser Bedenken bleiben viele Unternehmen vorsichtig, sich öffentlich gegen die AfD zu stellen, aus Angst vor Gegenreaktionen von Wählern, die die Partei unterstützen.
Die bevorstehenden Landtagswahlen in Ostdeutschland stellen einen Wendepunkt für die zukünftige Energiepolitik des Landes dar. Einerseits bietet der Erfolg der Region in der erneuerbaren Energie eine einzigartige Gelegenheit, das Land auf den Weg zu einer grüneren Wirtschaft zu führen. Andererseits bedroht der Aufstieg populistischer Kräfte diese Bemühungen. Das Ergebnis dieser Wahlen wird nicht nur die Zukunft der Energiepolitik in Deutschland bestimmen, sondern auch darüber entscheiden, ob es dem Land gelingt, die politische und wirtschaftliche Kluft zwischen Ost- und Westdeutschland zu überwinden.