Die Rückkehr Donald Trumps ins Präsidentenamt hat das Vertrauen Deutschlands in die Stabilität der transatlantischen Partnerschaft erschüttert. Bereits in den ersten 100 Tagen seiner zweiten Amtszeit wurden ernsthafte Zweifel an den Grundfesten der deutsch-amerikanischen Beziehung laut – insbesondere in den Bereichen Handel, Sicherheit und gemeinsame demokratische Werte.
Deutschlands Wirtschaft ist stark exportorientiert, wobei die USA ein zentraler Absatzmarkt sind – rund 4 % des deutschen BIP stammen aus Exporten in die Vereinigten Staaten. Eine neue Welle von US-Zöllen oder ein Handelskonflikt wird in Berlin daher als ernsthafte Bedrohung wahrgenommen. Gleichzeitig stützt sich die deutsche Sicherheitsarchitektur auf die NATO sowie auf die dauerhafte militärische Präsenz der USA, einschließlich ihrer Atomwaffen auf deutschem Boden.
Trumps Außenpolitik – insbesondere seine Gesprächsbereitschaft mit Russland ohne Konsultation europäischer Partner und seine gleichgültige Haltung gegenüber NATO-Verpflichtungen – schüren erneut Ängste in Berlin. Symbolische Gesten wie das Interesse am Kauf Grönlands unterstreichen, dass Europa für Trump strategisch an Bedeutung verliert.
Ein Wendepunkt war die Rede von US-Vizepräsident JD Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2025. Vance kritisierte den Umgang der EU mit Migration und Meinungsfreiheit, verteidigte rechtspopulistische Parteien – namentlich die AfD – und traf sich anschließend mit AfD-Chefin Alice Weidel. In Berlin wurde das als unerlaubte Einflussnahme auf die deutsche Innenpolitik gewertet.
Der neue Bundeskanzler Friedrich Merz reagierte mit einem Strategiewechsel. Obwohl er lange als überzeugter Transatlantiker galt, kündigte er an, Verteidigungsausgaben über 1 % des BIP künftig von der Schuldenbremse auszunehmen. Dadurch könnten Investitionen in Höhe von 3 bis 4 % ermöglicht werden. Zugleich stellte er ein 547-Milliarden-Dollar-Programm zur Modernisierung der Infrastruktur vor – als Antwort auf wirtschaftliche und geopolitische Herausforderungen.
Diese „zweite Zeitenwende“ folgt der ersten von Olaf Scholz im Jahr 2022 nach dem russischen Angriff auf die Ukraine. Nun erkennt Deutschland, dass es sich möglicherweise auf eine Welt ohne verlässliche amerikanische Unterstützung einstellen muss.
Dennoch bleibt Merz vorsichtig. Der Koalitionsvertrag bekräftigt das Bekenntnis zur transatlantischen Partnerschaft und vermeidet harte Abkopplungssignale. Handelsverhandlungen und nukleare Konsultationen mit Frankreich und Großbritannien sollen neue Balance schaffen.
Deutschland bereitet sich auf eine aktivere Rolle vor – nicht als Ersatz für die USA, sondern als verlässliche Kraft in einer neuen Weltordnung.