Deutschland debattiert über Fortsetzung der Waffenlieferungen an Israel

Deutschland debattiert über Fortsetzung der Waffenlieferungen an Israel

Deutschland steht im Zentrum einer zunehmend hitzigen Debatte darüber, ob Waffenlieferungen an Israel angesichts des eskalierenden Krieges im Gazastreifen fortgesetzt werden sollen. Während Berlin lange als einer der treuesten militärischen Verbündeten Israels galt, wächst nun der innenpolitische und internationale Druck, Rüstungsexporte angesichts humanitärer Bedenken und möglicher Verstöße gegen das Völkerrecht neu zu bewerten.

Ein historisches Bündnis unter neuer Beobachtung

Die besondere Beziehung Deutschlands zu Israel ist historisch begründet – aus Verantwortung für den Holocaust erwuchs eine enge militärische Zusammenarbeit. Zwischen 2020 und 2024 stammte etwa ein Drittel der israelischen Waffenimporte aus Deutschland, darunter Fregatten, Torpedos, gepanzerte Fahrzeuge und Munition. Im Jahr 2023 genehmigte Berlin Rüstungsexporte im Wert von 326,5 Millionen Euro an Israel – 2024 halbierte sich diese Summe infolge wachsender rechtlicher und politischer Kritik. Deutschland bleibt jedoch nach den USA Israels zweitgrößter Waffenlieferant.

Politischer Kurswechsel in Berlin

In den letzten Wochen hat sich der Ton in Berlin spürbar verändert. Bundeskanzler Friedrich Merz, im Amt seit Mai 2025, kritisierte offen das Ausmaß der Gewalt in Gaza und stellte die Verhältnismäßigkeit der israelischen Militäroperationen in Frage: Das Leid der Zivilbevölkerung „sei nicht mehr als legitimer Kampf gegen den Terrorismus der Hamas zu rechtfertigen“, sagte er.

Außenminister Johann Wadephul bezeichnete Deutschlands Position als „Dilemma“ zwischen der historischen Verantwortung gegenüber Israel und der Verpflichtung zum Schutz der Menschenrechte. Er kündigte eine Überprüfung aller Rüstungsexporte an und stellte künftige Lieferungen unter den Vorbehalt der Einhaltung des humanitären Völkerrechts. Ein teilweises Aussetzen der Waffenexporte sei daher möglich.

Koalitionsstreit und Forderungen nach Embargo

Die Debatte offenbart tiefe Risse in der Regierungskoalition. Abgeordnete der SPD fordern ein sofortiges Exportverbot und warnen davor, dass Deutschland sich völkerrechtlich mitschuldig an Kriegsverbrechen machen könnte. SPD-Politiker wie Isabel Cademartori und Ralf Stegner erklärten, Deutschland dürfe die humanitäre Katastrophe in Gaza nicht länger mit Waffenlieferungen verschärfen. In der Bevölkerung wächst der Unmut: Bilder aus Gaza dominieren die Medien, Umfragen zeigen eine sinkende Zustimmung zu Israels Vorgehen.

Internationale Kritik und rechtliche Einordnung

In Europa verändert sich der politische Wind. Spanien fordert ein EU-weites Waffenembargo gegen Israel und appelliert an die Partner, jegliche militärische Zusammenarbeit auszusetzen. Deutschland hat solche Schritte bislang abgelehnt. Außenminister Wadephul betont die „einzigartige Verantwortung“ Deutschlands gegenüber Israel – trotz wachsender internationaler Kritik.

Menschenrechtsorganisationen werfen Deutschland vor, mit seinen Rüstungsexporten gegen den internationalen Waffenhandelsvertrag zu verstoßen. Dieser verbietet Waffenlieferungen, wenn ein hohes Risiko besteht, dass sie für schwere Völkerrechtsverletzungen verwendet werden. Experten wie der Historiker René Wildangel fordern deshalb ein umfassendes Embargo.

Weg in die Zukunft: Überprüfung ohne klare Linie

Bislang bleibt die Verschärfung der deutschen Haltung weitgehend rhetorisch. Die Bundesregierung lehnt ein formelles Embargo oder die Aussetzung des EU-Israel-Assoziierungsabkommens ab. Es gibt keine offiziellen Zahlen zu Rüstungsausfuhren seit Amtsantritt der neuen Regierung. Das Ergebnis der angekündigten Überprüfung ist offen.

Klar ist: Die Debatte über deutsche Waffenlieferungen an Israel hat eine kritische Phase erreicht. Die Regierung muss zwischen historischer Verantwortung, völkerrechtlichen Bedenken und wachsendem innenpolitischem Druck abwägen. Die Entscheidungen, die Berlin in den kommenden Wochen trifft, werden Auswirkungen auf die deutsch-israelischen Beziehungen und die außenpolitische Rolle Deutschlands in der Welt haben.