China-Deutschland Konflikt im Roten Meer: Neue Front der Großmachtrivalität?

China-Deutschland Konflikt im Roten Meer: Neue Front der Großmachtrivalität?

Im Juli 2025 beschuldigte Deutschland China, ein Aufklärungsflugzeug während einer EU-Marineoperation im Roten Meer mit einem Laser anvisiert zu haben. Das Flugzeug, betrieben von einem zivilen Auftragnehmer und mit deutschem Militärpersonal besetzt, war Teil der Mission ASPIDES, die den Schutz internationaler Schifffahrtsrouten vor Bedrohungen wie Angriffen durch Huthi-Milizen in Jemen zum Ziel hat.

Laut dem Bundesministerium der Verteidigung wurde der Laser ohne Vorwarnung von einem chinesischen Kriegsschiff abgegeben. Der Vorfall zwang das Flugzeug, die Mission abzubrechen und sicher nach Dschibuti zurückzukehren. Die deutsche Regierung bezeichnete das Verhalten als „völlig inakzeptabel“ und bestellte den chinesischen Botschafter ein, um eine offizielle Erklärung zu verlangen.

Die chinesische Seite wies die Vorwürfe zurück und erklärte, ihre Schiffe seien lediglich auf regulären Eskorten im Golf von Aden im Einsatz. Zwar forderte Peking Zurückhaltung und Dialog, eine Anerkennung des Vorfalls blieb jedoch aus.

Operation ASPIDES und Deutschlands Rolle in der maritimen Sicherheit

Eine Mission aus strategischer Notwendigkeit

Die 2024 ins Leben gerufene Operation ASPIDES symbolisiert das wachsende sicherheitspolitische Engagement der EU in global relevanten Gewässern. Angesichts zunehmender Bedrohungen durch Piraterie, Milizen und staatliche Akteure wurde das Rote Meer zu einem Schwerpunkt für EU-Überwachung und marine Zusammenarbeit.

Deutschland beteiligt sich mit bis zu 700 Soldaten, darunter die Bereitstellung eines Multi-Sensor-Plattform-Flugzeugs. Diese als „fliegendes Auge“ bekannten Maschinen liefern wichtige Echtzeitdaten zur Überwachung maritimer Aktivitäten und möglicher Bedrohungen.

Strategische Engpässe unter Druck

Der Laser-Vorfall zeigt deutlich die Verletzbarkeit militärischer und kommerzieller Aktivitäten in überlasteten Seegebieten. Das Rote Meer fungiert zunehmend als Bühne militärischer Konfrontationen. Die Sicherheit von Überwachungsflugzeugen ist für den Erfolg solcher Missionen zentral – ein gezielter Angriff bedroht nicht nur das Personal, sondern destabilisiert die gesamte Region.

Chinas Marinepräsenz und regionales Machtstreben

Ausweitung des militärischen Fußabdrucks

In den letzten zehn Jahren hat China seine Marinepräsenz im Indischen Ozean und im Roten Meer erheblich ausgeweitet. Der 2017 eröffnete Militärstützpunkt in Dschibuti ermöglicht es Peking, militärische Präsenz weit über Asien hinaus zu demonstrieren.

Offiziell dienen chinesische Kriegsschiffe dem Schutz von Handelsschiffen entlang der Neuen Seidenstraße. Westliche Sicherheitsanalysten sehen in der zunehmenden Präsenz jedoch eine bewusste Machtdemonstration und strategische Herausforderung etablierter Sicherheitsstrukturen.

Frühere Vorwürfe und wiederkehrende Muster

Der Vorfall mit Deutschland reiht sich in eine Kette ähnlicher Anschuldigungen ein. Auch die USA und Australien meldeten in der Vergangenheit Laser-Angriffe auf ihre Aufklärungsflugzeuge durch chinesische Kriegsschiffe. 2018 berichteten US-Piloten in Dschibuti über Augenschäden infolge von Laserbestrahlung.

Trotz mehrerer internationaler Beschwerden bestreitet China systematisch jegliches Fehlverhalten und verfolgt damit eine Strategie gezielter strategischer Ambiguität.

Eskalation diplomatischer Spannungen

Deutschlands diplomatische Reaktion

Das Auswärtige Amt bestellte den chinesischen Botschafter Deng Hongbo ein und protestierte formell gegen die Laser-Zielerfassung. Der Vorfall sei ein „klarer Verstoß gegen internationales Verhalten“ und gefährde Leib und Leben deutscher Soldaten.

Verteidigungsminister Lars Klingbeil erklärte, dass

„provokative Handlungen nicht folgenlos bleiben können“

und verwies auf Deutschlands Entschlossenheit, die Freiheit internationaler Missionen zu verteidigen.

Chinas diplomatische Einordnung und strategische Rhetorik

Sprecherin Mao Ning vom chinesischen Außenministerium wies die Vorwürfe zurück. China bekräftigte sein Engagement für die maritime Sicherheit und forderte mehr Kommunikation zur Vermeidung von Missverständnissen.

Die Verweigerung jeder Verantwortung folgt Chinas typischer Rhetorik in vergleichbaren Vorfällen – Anerkennung wird vermieden, während die Legitimität der eigenen Präsenz betont wird.

EU-Reaktion auf den Vorfall

Auch die Europäische Union bestellte den chinesischen Botschafter ein. Der Sprecher für Außen- und Sicherheitspolitik, Anouar El Anouni, bezeichnete den Vorfall als gefährlich und forderte Aufklärung. Die EU bekräftigte zugleich ihre Entschlossenheit, ihre Missionen fortzuführen und das Personal zu schützen.

Technische und operative Bewertung des Zwischenfalls

Unklare Art der eingesetzten Laser

Ob es sich um ein Waffensystem oder ein Ziellaser handelte, bleibt ungeklärt. Beide Typen bergen Gefahren: Piloten können geblendet, Sensoren gestört oder Ausrüstungen beschädigt werden.

Solche Zwischenfälle gelten als schwerwiegende Provokation und verstoßen gegen maritime Sicherheitsnormen. Besonders in überfüllten Gewässern wie dem Roten Meer kann dies schnell eskalieren.

Beeinträchtigung der Mission

Der Einsatz des Lasers führte zum Abbruch der Mission und beeinträchtigte somit die Wirksamkeit der gesamten Operation. Die Gefährdung von Soldaten, die unter EU-Mandat operieren, wirft grundlegende Fragen zur Sicherheit internationaler Einsätze auf.

Das Rote Meer im geopolitischen Brennpunkt

Ein neues Machtzentrum entsteht

Längst ist das Rote Meer nicht mehr nur ein Transitweg für Frachtschiffe. Mit der wachsenden Präsenz von NATO-Mitgliedern, China und Russland wird es zur Arena geopolitischer Signale. Die Nähe chinesischer Kriegsschiffe zu EU-Missionen verdeutlicht, dass China bereit ist, auch außerhalb Asiens Macht auszuüben.

Wenn diese Entwicklungen unbeantwortet bleiben, könnten sich die Regeln für den freien Seeverkehr weltweit verschieben.

Bedeutung für Energie und Handel

Rund 12 Prozent des globalen Handelsvolumens passieren das Rote Meer und den Suezkanal. Störungen – sei es durch Milizen, Piraten oder staatliche Provokationen – wirken sich auf die gesamte Weltwirtschaft aus. Für Deutschland und die EU, deren Wirtschaft stark von stabilen Lieferketten abhängt, ist jede Bedrohung im Roten Meer sicherheitspolitisch wie wirtschaftlich relevant.

Strategische Autonomie und europäische Verteidigungspolitik

Deutschlands neue sicherheitspolitische Rolle

Der Vorfall zeigt, dass Deutschland bereit ist, sicherheitspolitisch über Europa hinaus aktiv zu werden. Das konsequente Handeln nach dem Laser-Vorfall verdeutlicht den Willen, auch im internationalen Kontext Präsenz zu zeigen.

Als führende Nation in der EU wird Deutschland künftig wohl verstärkt auf Sicherheitsgarantien und Krisenreaktionsmechanismen in globalen Seegebieten drängen.

Europas sicherheitspolitische Neuausrichtung

Mit Konfliktherden in der Ukraine, im Nahen Osten und im Indo-Pazifik wächst der Druck auf die EU, sicherheitspolitisch handlungsfähiger zu werden. Operationen wie ASPIDES zeigen erste Schritte in diese Richtung.

Doch Vorfälle wie im Roten Meer machen auch die Herausforderungen deutlich: Europa muss eine Balance finden zwischen dem Schutz seiner Interessen und dem Umgang mit aufstrebenden Mächten wie China.

Stimmen aus der sicherheitspolitischen Analyse

Bonnie Glaser, China-Expertin beim German Marshall Fund, äußerte sich in einem Interview mit CNN zum Vorfall. Sie bezeichnete ihn als „bewusste Machtdemonstration“ Pekings und mahnte: 

„Je öfter solche Vorfälle außerhalb des Indo-Pazifiks auftreten, desto mehr werden sie zur Norm.“

Navigieren im neuen maritimen Zeitalter

Der Laser-Vorfall im Roten Meer ist mehr als nur ein isolierter Zwischenfall. Er steht exemplarisch für den wachsenden Machtkampf um maritime Vorherrschaft. Die sicherheitspolitische Lage in dieser Region wird zunehmend von globalen Akteuren geprägt, deren Interessen kollidieren.

Deutschlands entschlossene Reaktion unterstreicht den Ernst der Lage. Gleichzeitig verdeutlicht Chinas Verhalten seine strategischen Ambitionen. Die internationale Gemeinschaft steht vor der Herausforderung, Spielregeln durchzusetzen, bevor Provokationen zu offenen Konflikten führen.

Ob China, Deutschland und die EU Wege der friedlichen Koexistenz finden oder ob das Rote Meer zum Schauplatz dauerhafter Großmachtkonkurrenz wird – das hängt von diplomatischer Geschicklichkeit und sicherheitspolitischer Weitsicht ab.