In Berlin sollen vier ausländische Staatsbürger abgeschoben werden – darunter drei EU-Bürger (zwei Iren, ein Pole) sowie ein US-Amerikaner. Ihnen wird vorgeworfen, im Oktober 2024 an einer pro-palästinensischen Protestaktion an der Freien Universität Berlin beteiligt gewesen zu sein. Alle vier lebten bis dahin legal in Deutschland.
Laut Berliner Senatsverwaltung für Inneres hätten sie sich „gewaltsam“ Zutritt zu einem Universitätsgebäude verschafft und dort Sachbeschädigungen verursacht. Unter anderem seien Parolen wie „From the river to the sea“ und „Free Gaza“ sowie das rote Dreieck als Graffiti hinterlassen worden. Letzteres gilt laut Bundesinnenministerium in diesem Kontext als Symbol der Hamas – die in Deutschland als Terrororganisation eingestuft ist.
Ohne Verurteilung – dennoch Ausweisung
Alle vier Betroffenen erhielten Mitte März 2025 Mitteilungen über die Beendigung ihres Aufenthaltsrechts. Obwohl sie bislang nicht strafrechtlich verurteilt wurden, sehen die Behörden in ihrem Verhalten eine „Gefahr für die öffentliche Ordnung“. Die EU-Bürger wurden sogar ihrer Freizügigkeitsrechte beraubt – ein ungewöhnlicher Schritt, der normalerweise nur bei ernsthaften Sicherheitsbedrohungen zulässig ist.
Rechtsanwalt Alexander Gorski, der zwei der Betroffenen vertritt, kritisiert das Vorgehen scharf:
„Es gibt bislang keine Verurteilung, keine Akteneinsicht – und dennoch droht die Abschiebung.“
Eine der vier Personen wurde bereits in einem Verfahren freigesprochen.
Politische Proteste oder Gefahr für den Staat?
Die Betroffenen sollen laut Polizei auch an anderen propalästinensischen Demonstrationen teilgenommen haben – viele davon in Reaktion auf die Angriffe der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und den anschließenden Krieg in Gaza. Aktivisten und Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International kritisieren das harte Vorgehen der Behörden und warnen vor Einschränkungen der Meinungsfreiheit.
Die Berliner Innenverwaltung sieht in den Protesten jedoch eine mögliche Radikalisierung. Innensenatorin Iris Spranger warnte vor „gewaltbereiten Gruppen“ und einer zunehmenden Gefährdung der öffentlichen Sicherheit.
Juristische Zweifel am Vorgehen
Laut europäischem Recht dürfen EU-Bürger nur dann abgeschoben werden, wenn sie eine ernsthafte Bedrohung darstellen – üblicherweise basierend auf einer rechtskräftigen Verurteilung. Jurist Matthias Goldmann von der EBS Universität betont: „Ein bloßer Verdacht reicht nicht. Eine strafrechtliche Verurteilung ist in der Regel Voraussetzung.“
Auch innerhalb der Berliner Verwaltung gibt es offenbar Zweifel: Laut Tagesspiegel äußerten Mitarbeiter der Ausländerbehörde Bedenken, dass die Vorwürfe nicht ausreichten, um eine Ausweisung rechtlich zu begründen.
Kritik an politischer Einflussnahme
Die Entscheidungen verweisen auf eine größere Debatte: Wie weit darf ein Staat gehen, wenn es um den Schutz der öffentlichen Ordnung geht – und wo beginnt die Einschränkung politischer Meinungsäußerung?
Rechtsanwalt Gorski vermutet eine gezielte Einschüchterung der propalästinensischen Bewegung. Er sieht Parallelen zur Situation in den USA, wo Studierenden wegen ähnlicher Proteste Visa entzogen wurden.
Professor Goldmann ergänzt:
„Die Berliner Regierung geht besonders hart gegen pro-palästinensische Stimmen vor. Hier wird Antisemitismusvorwurf als Hebel genutzt, um politische Positionen zu unterdrücken.“
Ausblick: Der Kampf vor Gericht
Alle vier Betroffenen klagen derzeit vor dem Berliner Verwaltungsgericht gegen ihre Abschiebung. Die Frist läuft bis zum 21. April. Solange dürfen sie in Deutschland bleiben. Es bleibt abzuwarten, ob die Gerichte das Vorgehen der Behörden bestätigen – oder einen Präzedenzfall für den Schutz politischer Meinungsfreiheit in Deutschland schaffen.