Bundeskanzler Friedrich Merz hat einen umfassenden Appell an Europa gerichtet, mehr strategische Autonomie zu entwickeln und sich weniger auf die Vereinigten Staaten zu verlassen. Seine Äußerungen gehalten im Bundestag und in diplomatischen Gesprächen im Jahr 2025 markieren einen Kurswechsel in der deutschen Außenpolitik und spiegeln eine breitere Neuausrichtung Europas in einer sich wandelnden Weltordnung wider.
Merz’ Vision zielt auf ein selbstbewusstes und unabhängiges Europa ab, das wirtschaftlich und militärisch eigenständig handeln kann. Dieser Vorstoß erfolgt vor dem Hintergrund wachsender geopolitischer Instabilität, einer ungewissen US-Außenpolitik und anhaltender Sicherheitsbedrohungen an Europas Ostgrenze.
Neudefinition der europäischen strategischen Autonomie
Der Begriff der strategischen Autonomie, wie Merz ihn versteht, geht über militärische Selbstständigkeit hinaus. Er beruht auf wirtschaftlicher Resilienz, institutioneller Unabhängigkeit und globaler Diversifikation.
Wirtschaftliche Grundlagen der Autonomie
Merz betont, dass der Weg zur Souveränität mit einer wirtschaftlichen Neuausrichtung beginnt. Er fordert den Abschluss der Kapitalmarktunion in der EU, um private Investitionen zu mobilisieren und die Abhängigkeit von US-geführten Finanzsystemen zu verringern. Ziel ist es, Europa in die Lage zu versetzen, große Investitionen in Verteidigung und Innovation eigenständig zu finanzieren.
Gleichzeitig soll die Handelsabhängigkeit von transatlantischen Partnern reduziert werden. Geplante Abkommen mit Indien, Mercosur und Neuseeland sollen Europas wirtschaftliche Beziehungen diversifizieren und die Widerstandsfähigkeit der Lieferketten erhöhen – insbesondere angesichts zunehmender protektionistischer Tendenzen in den USA.
Militärischer und sicherheitspolitischer Wandel
Im sicherheitspolitischen Bereich plädiert Merz für eine eigenständige europäische Verteidigungsidentität, die zwar mit der NATO kompatibel ist, sich aber nicht auf sie beschränkt. Deutschland hat sich verpflichtet, „die stärkste europäische Armee“ aufzubauen mit Investitionen in gepanzerte Fahrzeuge, moderne Drohnentechnologie und Cybersicherheitsinfrastruktur.
Ein zentraler Bestandteil dieser Initiative ist die Zusammenarbeit mit Frankreich. Projekte wie das Future Combat Air System (FCAS) sollen europäische Rüstungskapazitäten stärken und die Abhängigkeit von US-amerikanischen Waffenlieferungen verringern. Zudem plant Merz die Wiedereinführung des freiwilligen Wehrdienstes, um Personalengpässe zu beseitigen und die Einsatzbereitschaft zu erhöhen.
Geopolitischer Kontext und transatlantische Beziehungen
Die Ausführungen des Kanzlers spiegeln einen Paradigmenwechsel im strategischen Denken Europas wider. Sie adressieren nicht nur militärische, sondern auch politische und psychologische Aspekte der Abkopplung von der Nachkriegsordnung.
Umgang mit einer veränderten US-Europabeziehung
Merz erkennt an, dass sich die geopolitischen Prioritäten der USA verschieben – insbesondere hin zum Indopazifik. Diese Neuausrichtung und die innenpolitische Instabilität in Washington untergraben die frühere Gewissheit eines automatischen amerikanischen Engagements in Europa.
Während Europas Sicherheit jahrzehntelang auf US-Führung beruhte, warnt Merz nun vor einer „falschen Nostalgie“ gegenüber diesem Modell. Seine Regierung verfolgt stattdessen eine Politik des Aufbaus europäischer Handlungsfähigkeit, um auf mögliche Lücken in der US-Strategie vorbereitet zu sein.
Reaktion auf Russland und Unterstützung der Ukraine
Russlands andauernde Aggression bildet den unmittelbaren sicherheitspolitischen Hintergrund für Merz’ Autonomiebestrebungen. Deutschland hat seine militärische Unterstützung für die Ukraine ausgebaut und prüft weitergehende Maßnahmen, darunter eine verstärkte Präsenz der Bundeswehr an der NATO-Ostflanke.
Merz macht deutlich, dass ein starkes europäisches Verteidigungssystem entscheidend sei – nicht nur zur Abschreckung, sondern auch zur Sicherstellung schneller Reaktionen. Die strategische Autonomie sei daher keine bloße Idee, sondern eine sicherheitspolitische Notwendigkeit.
Innenpolitische Herausforderungen und Realitäten
So überzeugend die Strategie klingen mag – sie stößt auf erheblichen innenpolitischen und europapolitischen Widerstand. Die Mobilisierung langfristiger politischer Unterstützung ist eine zentrale Hürde.
Öffentliche Meinung und politische Spannungen
In Deutschland herrscht weiterhin Zurückhaltung gegenüber militärischer Aufrüstung. Die Skepsis gegenüber höheren Verteidigungsausgaben oder Auslandseinsätzen ist tief verwurzelt. Die AfD nutzt diese Stimmung, um die EU und die Autonomiestrategie zu kritisieren.
Merz versucht, die Autonomiedebatte mit wirtschaftspolitischen Argumenten zu verknüpfen. Seine Reformagenda umfasst Steuererleichterungen, Rentensicherung und Investitionsanreize – mit dem Ziel, die nationale Zustimmung zu stärken und die strategische Neuausrichtung politisch abzusichern.
Die deutsch-französische Achse und europäische Geschlossenheit
Frankreich ist der wichtigste Partner Deutschlands bei diesem Vorhaben. Merz’ erste Auslandsreise als Kanzler führte nach Paris, wo er gemeinsam mit Präsident Emmanuel Macron Projekte wie FCAS bekräftigte. Diese bilaterale Kooperation soll als Motor für eine breitere europäische Integration dienen.
Allerdings bleibt die europäische Geschlossenheit fragil. Osteuropäische Mitgliedstaaten zeigen sich skeptisch gegenüber einer weiteren Zentralisierung. Merz setzt auf flexible Kooperationsmodelle, um die Teilhabe auch skeptischer Länder zu sichern und gleichzeitig strategische Projekte voranzutreiben.
Strategische Botschaften und globale Reaktionen
Die Rede von Merz stellt eine deutliche Abkehr von früheren außenpolitischen Traditionen Deutschlands dar. Während einige US-Vertreter die europäische Eigenverantwortung begrüßen, sehen andere darin eine potenzielle Schwächung der transatlantischen Allianz.
Diese Person hat sich zu diesem Thema geäußert und die geopolitischen Risiken sowie die internen Herausforderungen für Europa bei der Umsetzung von Autonomieplänen hervorgehoben:
Friedrich Merz made a statement that could be described as a tectonic shift in European consciousness. Merz made it clear that the US is no longer a guarantor of security on the European continent and cannot be considered a full-fledged partner.
— Denis Danilov (@DenisDanilovL) September 8, 2025
He stated bluntly:
"We must face… pic.twitter.com/5ZqNHLborX
Die Analyse unterstreicht das wachsende internationale Bewusstsein dafür, dass Europa eine größere Rolle in der eigenen Sicherheit und globalen Ordnung spielen muss. Autonomie wird dabei nicht mehr als Bruch, sondern als Reifeprozess verstanden.
Merz’ Vorstoß für eine strategisch autonome EU markiert einen Wendepunkt für den Kontinent. Die Zukunft wird zeigen, ob Europa in der Lage ist, seine wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Strukturen unabhängig zu gestalten und so ein stabilisierender Akteur in einer multipolaren Welt zu werden – jenseits traditioneller Abhängigkeiten und inmitten neuer globaler Herausforderungen.