Der Bundeshaushalt 2025 markiert eine deutliche Kehrtwende in Deutschlands Rolle bei der internationalen Entwicklungszusammenarbeit. Mit einer Kürzung von fast einer Milliarde Euro für das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und noch drastischeren Einschnitten in der humanitären Hilfe verlagert sich die nationale Ausrichtung spürbar – weg von globaler Solidarität, hin zu militärischer Aufrüstung. Deutschland will künftig 2,4 Prozent seines BIP für Verteidigung ausgeben – deutlich über dem NATO-Ziel.
Diese Umschichtung weckt weltweit Besorgnis. Kritiker warnen, dass diese Entscheidungen Deutschlands Einfluss auf der globalen Bühne schwächen, Fortschritte in Entwicklungsländern gefährden und die Handlungsfähigkeit der internationalen Gemeinschaft bei Krisen verringern könnten – gerade in einer Zeit, in der die globalen Bedürfnisse weiter zunehmen.
Das Ausmaß der Kürzungen und ihre Zielbereiche
Rückgang der Entwicklungszusammenarbeit
Der BMZ-Etat fällt von 11,1 Milliarden Euro im Jahr 2024 auf 10,3 Milliarden Euro im Jahr 2025. Obwohl Deutschland damit weiterhin zu den größten Gebern weltweit zählt, ist dies bereits das zweite Jahr in Folge mit sinkenden Mitteln. Noch 2022 beliefen sich die Ausgaben auf 13,8 Milliarden Euro – seither ist fast ein Viertel verloren gegangen.
Die humanitäre Hilfe ist noch stärker betroffen. Das Budget für akute Notlagen wird von 2,23 Milliarden Euro auf rund 1,04 Milliarden Euro halbiert – eine drastische Einschränkung Deutschlands Fähigkeit, auf Konflikte, Naturkatastrophen und Flüchtlingskrisen zu reagieren.
Kürzungen beim Auswärtigen Amt
Auch das Auswärtige Amt – ein zentraler Akteur in der diplomatisch orientierten Entwicklungshilfe – muss massive Einschnitte hinnehmen. Programme zur Stabilisierung, Friedensförderung und Krisenprävention stehen zur Disposition. Damit wird das lang etablierte, ressortübergreifende Handeln geschwächt, das Deutschland bislang als kohärente Entwicklungspolitik vertreten hat.
Insgesamt sinkt Deutschlands entwicklungspolitischer und humanitärer Fußabdruck um Milliarden – zu einem Zeitpunkt, an dem laut UN-OCHA Mitte 2025 mehr als 360 Millionen Menschen weltweit humanitäre Unterstützung benötigen.
Warum Verteidigung Entwicklung verdrängt
Sicherheitswandel als politische Triebkraft
Deutschlands Fokus auf militärische Aufrüstung geschieht nicht grundlos. Der russische Krieg gegen die Ukraine, wachsende Spannungen im Indopazifik und die unvorhersehbare Außenpolitik der USA unter Präsident Trump haben Berlins Bedrohungsperzeption grundlegend verändert. Der NATO-Verteidigungsetat von 2,4 Prozent des BIP wird daher als sicherheitspolitische Notwendigkeit angesehen.
Doch die Konsequenz ist ein deutlicher Rückgang bei der Entwicklungsfinanzierung – mit nachhaltigen Auswirkungen.
Innenpolitischer Druck und öffentliche Meinung
Im Inland steht Bundeskanzler Olaf Scholz unter wachsendem Druck, Haushaltsdisziplin und sicherheitspolitisches Engagement zu demonstrieren. Die Schuldenbremse begrenzt die Kreditaufnahme des Bundes, sodass Verteidigungsausgaben nur durch Kürzungen in anderen Bereichen möglich wurden – ohne Steuererhöhungen.
Auch das Meinungsbild der Bevölkerung spielt eine Rolle: Umfragen zeigen 2025 ein wachsendes Interesse an innerer Sicherheit und wirtschaftlicher Stabilität, während die Bedeutung von Entwicklungshilfe sinkt. Diese Stimmung erleichtert politischen Entscheidungsträgern die Argumentation für Kürzungen – auch wenn sie auf Widerspruch stoßen.
Wer den Preis zahlt
Menschliche Folgen in fragilen Regionen
Die Auswirkungen der Kürzungen sind nicht nur abstrakt – sie werden sich konkret in Flüchtlingslagern, hungernden Gemeinden und fragilen Staaten bemerkbar machen. Programme in Gesundheit, Bildung, Ernährungssicherheit und Klimaresilienz stehen auf der Kippe, insbesondere in Afrika südlich der Sahara, im Nahen Osten und in Südasien.
Michael Herbst, Vorsitzender von VENRO, warnte: „Mehr als 100 Millionen Menschen sind auf der Flucht. Gleichzeitig ziehen sich immer mehr Geberländer zurück. Deutschland müsste für stabile Entwicklungszusammenarbeit sorgen – das Gegenteil ist der Fall.“
Multilaterale Organisationen wie das Welternährungsprogramm und UNHCR stellen sich bereits auf sinkende deutsche Beiträge ein und korrigieren ihre Planungen entsprechend.
Verlust geopolitischer Einflussräume
Die geopolitische Dimension ist ebenfalls bedeutsam. Marlehn Thieme, Präsidentin von Welthungerhilfe, befürchtet, dass Länder wie China und Russland die Lücken füllen könnten, die Deutschland hinterlässt: „Wenn Deutschland sich zurückzieht, übernehmen andere – mit ganz anderen Interessen und Werten.“
Insbesondere in Afrika und dem Westbalkan, wo Deutschland lange als verlässlicher Partner galt, steht nun nicht nur Entwicklungshilfe, sondern auch politischer Einfluss auf dem Spiel.
Kritische Stimmen aus Politik und Zivilgesellschaft
Parlamentarische Debatten um strategische Kohärenz
Im Bundestag stoßen die ODA-Kürzungen auf Widerstand – auch innerhalb der Koalition. Ottmar von Holtz (Grüne) kündigte an, die Haushaltsplanung kritisch zu prüfen und argumentierte, dass Kürzungen in der Entwicklungshilfe bei gleichzeitiger Betonung globaler Verantwortung „strategisch inkonsequent“ seien.
Auch Vertreter der CDU zeigten sich skeptisch und mahnten, dass der Rückzug aus fragilen Staaten gerade jetzt gefährlich sei. Dennoch bleibt der Widerstand begrenzt – zu stark sind die sicherheits- und haushaltspolitischen Zwänge.
NGOs warnen vor globalem Vertrauensverlust
Organisationen wie Brot für die Welt und die One Campaign haben öffentlich gegen die Kürzungen Stellung bezogen. Stephan Exo-Kreischer, Europadirektor von One, sprach von einem „kurzsichtigen und widersprüchlichen“ Kurs und warnte vor einem Verlust an Glaubwürdigkeit Deutschlands.
Diese Kürzungen gefährden laut NGO-Angaben auch Projekte, die Deutschland auf internationalen Gipfeln – wie dem Sevilla-Gipfel 2025 – selbst initiiert hat. Ohne ausreichende Mittel droht das Auseinanderfallen globaler Partnerschaften.
Internationale Entwicklungshilfe unter Druck
Globale Trends: Rückzug statt Aufstockung
Deutschlands Rückzug ist Teil eines globalen Musters. Der OECD-Bericht zur Entwicklungszusammenarbeit 2025 zeigt, dass viele Geberländer ihre Zusagen nicht einhalten oder zurückfahren. Die Folge: Ein wachsendes Delta zwischen humanitärem Bedarf und realer Finanzierung.
UN-Organisationen sehen sich mit Finanzierungslücken konfrontiert, die sowohl ihre Einsatzfähigkeit als auch ihr Vertrauen bei Partnern gefährden. Die strukturelle Belastung des Hilfssystems wächst – ebenso wie die Gefahr von Kriseneskalationen.
Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit als Entwicklungsakteur
Deutschlands Ruf als verlässlicher Partner steht auf dem Spiel. Bilaterale Programme laufen Gefahr, mittelfristig einzubrechen – trotz langfristiger Planungen auf Empfängerseite. Vertrauen, das über Jahre aufgebaut wurde, kann schnell zerstört werden.
Dagmar Pruin, Präsidentin von Brot für die Welt, betonte:
„Wenn wir unsere Kooperationspartner im Stich lassen, ist das nicht nur unmoralisch – es ist auch außenpolitisch töricht.“
Eine Stimme von der Front der Entwicklungszusammenarbeit
Diese Person hat sich in einem Interview mit Deutsche Welle zu Wort gemeldet und die Dringlichkeit betont, Entwicklungsfinanzierung aufrechtzuerhalten, um humanitäre Katastrophen zu verhindern und Deutschlands internationale Verpflichtungen zu erfüllen.
https://x.com/Hughcevans/status/1940070048741138693
Diese Einschätzung unterstreicht die Befürchtung vieler Fachleute: Dass politische Kurswechsel im Globalen Norden globale Fortschritte gefährden.
Austerität versus globale Verantwortung
Deutschlands ODA-Kürzungen 2025 sind nicht bloß haushaltspolitische Entscheidungen – sie sind Ausdruck eines Paradigmenwechsels. Sicherheit rückt ins Zentrum, Entwicklung an den Rand.
Ob Deutschland unter diesen Rahmenbedingungen eine führende Rolle in der Entwicklungszusammenarbeit beibehalten kann, hängt nicht allein von Budgetzahlen ab, sondern auch vom politischen Willen und strategischem Weitblick. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob sich Berlin zwischen nationalen Interessen und globaler Verantwortung neu ausbalancieren kann – oder ob die Austeritätspolitik eine Ära beendet, in der Deutschland als moralischer Akteur und Partner des Globalen Südens galt.
Die Antwort auf diese Frage wird nicht nur Deutschlands internationale Reputation prägen – sondern auch das Leben von Millionen Menschen beeinflussen, die auf diese Hilfe angewiesen sind.