Europa am Rande Kriegsvorbereitungen

Europa am Rande: Kriegsvorbereitungen

Im Falle eines Angriffs entwickelt Deutschland eine App, die Nutzern hilft, den nächsten Bunker zu finden. Schweden verteilt eine 32-seitige Broschüre mit dem Titel Wenn Krise oder Krieg kommt. In Finnland wurde ein Handbuch zur Katastrophenvorsorge bereits von einer halben Million Menschen heruntergeladen. Einige Länder nehmen die Möglichkeit eines umfassenderen europäischen Konflikts ernst und ergreifen Maßnahmen, um ihre Bürger „kriegsfähig“ zu machen, so der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius. Durch Russlands umfassende Invasion in die Ukraine sind die Sicherheitsbedenken im Baltikum stark gestiegen. Finnland und Schweden haben daher ihre jahrzehntelange Neutralität aufgegeben und sich der NATO angeschlossen. Militärische Stärke allein reicht jedoch nicht aus – auch die Bürger müssen vorbereitet sein.

Steigende Spannungen in Europa

„Die Zeiten, in denen wir leben, sind unberechenbar. In unserer Region der Welt gibt es derzeit bewaffnete Konflikte“,

heißt es im Vorwort der schwedischen Broschüre. Sie warnt vor Desinformationskampagnen, Cyberangriffen und Terrorismus und fordert, dass alle ihren Beitrag zur Verteidigung Schwedens und seiner Demokratie leisten. Die erste dieser Broschüren wurde im Zweiten Weltkrieg verteilt, und die Schweden kennen sie schon lange. Die aktuelle Ausgabe enthält Ratschläge zu digitaler Sicherheit, Luftschutzbunkern, Alarmsystemen und dem Umgang mit Wasserknappheit. Außerdem empfiehlt sie, ausreichend Wasser und haltbare Lebensmittel zu lagern, eine batteriebetriebene Radioanlage zu besitzen sowie warme Kleidung und alternative Heizquellen bereitzuhalten.

Militärische Mobilisierungen beginnen

Die Reaktionen in Schweden sind unterschiedlich. Der 36-jährige Friseur Johnny Chamoun aus Solna findet es „gut, vorbereitet zu sein“, aber die Broschüre sei kein großes Gesprächsthema. Dagegen sorgt sich Muna Ayan, eine Gesundheitsmitarbeiterin aus Stockholm, über die Gleichgültigkeit vieler. Sie hat Krieg in Somalia erlebt und sich durch Vorräte an Wasser, Kerzen und Batterielampen vorbereitet. Für sie ist es wichtig, ihre Kinder zu informieren, ohne ihnen Angst zu machen.

Zivilisten wappnen sich

Laut Fatuma Mohamed, einer Gesundheitskommunikatorin, fehlen vielen Menschen in ärmeren Vierteln die Mittel, um Vorräte anzulegen. Sie wünscht sich mehr direkte Aufklärung für die Bevölkerung. In Norwegen wurde eine ähnliche Broschüre verteilt, die zu Vorräten an Lebensmitteln wie Knäckebrot, Konserven, Trockenfrüchten und Nüssen für mindestens eine Woche rät. Auch die Lagerung von Medikamenten wie Jodtabletten wird empfohlen.

Wirtschaftliche Belastungen durch Kriegsvorbereitungen

Norwegen und Schweden raten außerdem, Bargeld und mehrere Bankkarten für Notfälle bereitzuhalten. Finnland bietet eine umfassende Online-Anleitung zu Themen wie Wasserknappheit, Internetausfällen oder militärischen Konflikten. Europäische Führer sprechen von einer neuen Realität auf dem Kontinent. Mehr als 30 Jahre nach dem Kalten Krieg kehrt die Europäische Union zu ihren Ursprüngen als Friedensprojekt zurück, während sie die Sicherheitslage angesichts einer möglichen Destabilisierung durch Russland neu bewertet.